Tag der Freude
Nach zwei Jahren kehren die letzten Geiseln der Terrororganisation Hamas nach Hause zurück, in Gaza schweigen die Waffen. Das gibt Hoffnung.
Dieser Montag war ein Tag, wie ihn die Welt nicht so oft erlebt hat in den vergangenen Jahren, ein Tag der Freude, ein Tag des Lachens, des Tanzes, der Zuversicht. Vom Platz der Geiseln in Tel Aviv ging eine Erleichterung und Dankbarkeit aus, die Menschen in allen anderen Ländern ergriffen hat. Nach zwei Jahren Angst und Sorge, nach Qual und Folter kehren die vor zwei Jahren von der Terrororganisation Hamas zu Geiseln genommenen Menschen in ihre Heimat zurück. Nach fast zwei Jahren Krieg können auch die zwei Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen aufatmen, die Waffen schweigen, die israelischen Streitkräfte ziehen sich zurück, die internationale Hilfe läuft an.
Hätte jemand diesen Tag noch vor wenigen Wochen in Aussicht gestellt, er oder sie wäre verlacht worden als hoffnungsloser Optimist, als Träumer. Die Dauer-Demonstranten auf dem Geiselplatz hatten zwar immer auf den Tag der Rückkehr gehofft, aber sie konnten angesichts der erbarmungslosen Haltung der Hamas und des brutalen Vorgehens Israels in Gaza nicht wirklich davon überzeugt sein, ihre Männer, Väter, Brüder, Söhne und Freunde wieder in den Armen zu halten. Umso schmerzhafter muss der Tag für die Angehörigen der 28 Geiseln gewesen sein, die nicht nach Hause kommen, weil sie in der Gefangenschaft der Hamas gestorben sind.
Bei aller berechtigter Kritik an US-Präsident Donald Trump: Er und sein Team waren es, die diesen Tag möglich gemacht haben. Durch Druck auf Israel, Druck auf die Hamas und eine intensive Absprache mit den arabischen Staaten, die wiederum die Hamas davon überzeugen konnten, ernsthaft in den Friedensprozess einzusteigen und die Geiseln freizulassen.
Natürlich muss man sich fragen, ob die Freude über diesen Tag andauern und in einen echten Frieden münden kann. Dagegen spricht die Geschichte: die von vor 75 Jahren und die aus den vergangenen Wochen und Monaten. Erst vergangene Woche nahm sich einer der Überlebenden des von der Hamas überfallenen Nova Festivals das Leben, weil er die Ereignisse des 7. Oktobers nicht verarbeiten konnte. Warum, das zeigt eine gerade in Berlin eröffnete Ausstellung über die Schrecken dieses Tages. Doch auch die Menschen im Gaza-Streifen werden den israelischen Kriegszug nicht vergessen, die Angst vor den Bomben, die beständige Flucht, den Hunger, den Tod ihrer Freunde und Angehörigen.
Wunden müssen heilen und dafür brauchen sie Zeit. Eigentlich. Im Friedensprozess aber ist keine Zeit der Heilung vorgesehen. Zu groß wäre die Gefahr, dass destruktive Kräfte wieder den Kurs bestimmen. Nein, Israelis und Palästinenser müssen verwundet, verbittert und wütend zueinander finden. Geeint werden sie nur von der gemeinsamen Einsicht, dass es so wie in den vergangenen zwei Jahren nicht weitergeht, nicht weitergehen kann.
Die Chance auf Frieden, sie ist da, und an diesem Tag strahlt sie hell in die gesamte Welt hinaus. Nun gilt es, sie zu ergreifen und den mühsamen Weg der Versöhnung zu gehen. Die Chance auf ewigen Frieden, wie Trump ihn in Aussicht stellte, sie ist klein. Doch nicht zu klein, als dass sie nicht von beiden Seiten ergriffen werden müsste.
leitartikel@swp.de
Israelis und Palästinenser müssen verwundet, verbittert und wütend zueinander finden.