Acht Stolpersteine für die Opfer der NS-Diktatur

  • Vor den Häusern, in denen die NS-Opfer gewohnt haben oder aufgewachsen sind, werden die Stolpersteine verlegt. Foto: Jens Büttner/dpa

Metzingen Der Gemeinderat will mit dieser Form des Gedenkens auch ein Zeichen gegen aktuellen Antisemitismus und Rechtsextremismus setzen.

Mehr als 100.000 Stolpersteine würdigen mittlerweile die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Verlegt in bislang 31 Ländern sollen die Betonquader jene Menschen dem Vergessen entreißen, die während der NS-Zeit aufgrund ihrer politischen Ansichten, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Herkunft oder wegen einer Erkrankung verfolgt und ermordet worden sind.

„Stolpersteine sind ein sichtbares, niederschwelliges und zugleich sehr persönliches Zeichen des Erinnerns, direkt vor den Häusern, in denen die Menschen gelebt haben und aus ihrem Alltag gerissen wurden“, sagt Lisa-Maria Weigert. Die Grünen-Stadträtin hatte einen interfraktionellen Antrag im Metzinger Gemeinderat initiiert, der diese Form des Gedenkens in der Kelternstadt etablieren wollte. Am Donnerstag hat das Kommunalparlament den Antrag mit großer Mehrheit gebilligt, lediglich die CDU-Fraktion stimmte dagegen.

An wen erinnert wird

Beschlossen hat das Gremium außerdem, acht Stolpersteine in Metzingen zu verlegen. In der Nürtinger Straße 28 soll künftig an Albert Fischer erinnert werden. Geboren 1883 in der Kelternstadt, war er Gemeinderat und Landtagsabgeordneter für die KPD. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er von 1933 bis 1934 und von 1939 bis 1945 in ein Konzentrationslager gesperrt. Fischer starb 1952.

In der Schillerstraße 14 werden künftig Adolf und Jenny Herold gewürdigt. Das Ehepaar jüdischen Glaubens wurde 1941 nach Riga transportiert und dort ermordet. In der Stuttgarter Straße 12 bis 16 lässt die Stadt einen Stolperstein im Gedenken an Adam Gassner verlegen. Der Bäcker wurde 1940 in Grafeneck umgebracht, ebenso wie Friederike Schäfer, Sophie Ruoss und Karl und Kurt Knaisch. Für sie werden Stolpersteine Beim Rathaus 16, in der Urbanstraße 10 sowie in der Gustav-Werner-Straße 1 angebracht.

Die Menschen wachrütteln

Bald gebe es keine Zeitzeugen mehr, die über ihre Erfahrungen in der nationalsozialistischen Diktatur berichten können, führte Lisa-Maria Weigert zur Begründung ihrer Initiative aus. „Es liegt jetzt an uns, ihre Geschichte wach zu halten.“ Damit setze der Gemeinderat ein starkes Zeichen gegen das Vergessen „und gegen die aktuellen Tendenzen von Antisemitismus und Rechtsextremismus“. Diesen Aspekt betonten auch Dr. Ursula Wilgenbus (FDP) und Stefan Köhler (FWV) in ihren Redebeiträgen. Als der Gemeinderat vor rund zehn Jahren schon einmal über das Thema „Stolpersteine“ diskutierte, habe sich seine Fraktion gegen diese Form der Erinnerungskultur ausgesprochen, sagte Köhler. Doch die Zeiten hätten sich geändert, Stolpersteine seien eine gute Möglichkeit, die Menschen wachzurütteln. Man könne nicht oft genug an die Menschen appellieren, „macht das nie wieder“, erklärte Ursula Wilgenbus.

Unterstützung erhielt der gemeinsame Antrag ebenfalls von Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh. Es sei gut, dass in der Stadt künftig an verschiedenen Stellen an die NS-Opfer erinnert werde. Sie nahm damit Bezug auf die Gedenkstele am Rathaus, die seit Oktober 2021 an die Verfolgten und Ermordeten erinnert. Geschaffen hat die Weltkugelskulptur der Metzinger Künstler Konrad Schlipf.

Gedenkstele aufwerten

Die Skulptur führt jedoch ein Schattendasein, wie CDU-Stadträtin Karin Theis hervorhob. Dass seit der Einweihung nichts mehr passiert sei, bedauere sie, freilich müssten sich die Stadt und Gemeinderat deshalb an die eigene Nase fassen: „Um der Erinnerungskultur gerecht zu werden, müssen wir sie mit Leben füllen, ob Skulptur oder Stolpersteine.“ Sie plädierte dafür, jährlich gemeinsam mit den Schulen eine Aktion rund um die Stele auf die Beine zu stellen. „Ob man dann noch Stolpersteine braucht, sei dahingestellt.“

Metzingen habe sich vor zehn Jahren bewusst für einen eigenen Weg in der Erinnerungskultur entschieden und deshalb die Skulptur installiert, erinnerte Eckart Ruopp (CDU). Deshalb sehe seine Fraktion keine Notwendigkeit, weitere Formen des Gedenkens zu installieren. Zumal es durchaus Vorbehalte gegen Stolpersteine gebe, so Ruopp, der auf Charlotte Knobloch verwies, Holocaustüberlebende und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ihrer Meinung nach werden die Opfer dadurch erniedrigt, weil ihre Namen zu Füßen anderer Menschen angebracht sind.

Die Opfer sichtbar machen

Indessen gibt es auch viele Opfer und Opferfamilien, die diese Form des Gedenkens befürworten, worauf Lisa-Maria Weigert verwies. Sie betonte: „Wirklich respektlos wäre es, die Opfer unsichtbar zu machen.“ Stolpersteine würden ihnen Namen und Ort zurückgeben. Für ihn sei wichtig, mit den Stolpersteinen die Erinnerungskultur hochzuhalten, sagte SPD-Stadtrat Alexander Hack: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Verlegt werden die Stolpersteine in Metzingen so bald wie möglich von ihrem Erfinder, dem Künstler Gunter Demnig. Weil die Nachfrage groß ist, beträgt die Wartezeit aber mindestens ein halbes Jahr. Die Kosten für einen Stolperstein betragen rund 120 Euro, finanziert werden die Steine in der Regel über Spenden oder Patenschaften.

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