Kinder für den Notfall fit machen

  • Nicht nur im Schwimmbad und am Meer, auch bei schwerer Hochwasserlage kann die Reanimation von Menschen wichtig werden. Gemeinsam mit den Experten der DLRG Dettingen üben die Schillerschüler, wie die richtige Beatmung nach Sauerstoffmangel funktioniert.  Foto: Christina Hölz
  • Was tun, wenn die Schule überflutet wird ? Dettinger Schillerschüler üben, wie man Sandsäcke gegen Hochwasser einsetzt. Foto: Schillerschule

Dettingen Hochwasser, Erdbeben, Feuerkatastrophen: Lange schien das weit weg. Doch weder die Weltlage noch das Klima sind berechenbar: An der Schillerschule üben Kinder den Ernstfall.

Kurz nach halb zwei auf dem Pausenhof der Schillerschule in Dettingen: Wo die Kinder sonst spielen und in Grüppchen zusammenstehen, schaufeln sie heute Sand in leere Säcke, üben die Beatmung am Puppenkopf oder besichtigen das Innenleben eines DRK-Fahrzeugs. 75 Sechstklässler lernen, was es heißt, vorbereitet zu sein, wenn Feuer, Hochwasser oder Erdbeben plötzlich über den (Schul)-Alltag hereinbrechen.

Zum ersten Mal hat die Dettinger Schillerschule einen eigenen Katastrophenschutztag auf die Beine gestellt. Das sei nicht nur zeitgemäß mit Blick auf die aktuellen geopolitische und klimatischen Entwicklungen – das legt neuerdings auch der Lehrplan in der Sekundarstufe nahe, erklärt Niklas Teichert, der den Katastrophenschutztag federführend auf den Weg gebracht hat. Teichert ist Geografie-Lehrer an der Schillerschule – genauso wie Konrektor Jochen Kuhn. Beide Pädagogen sind in diesem Fall gefragt, denn der Unterricht in Sachen Katastrophenschulung läuft im Fach Erdkunde. Und dort gab’s zunächst eine theoretische Lektion für die Kinder, erzählt Jochen Kuhn: „Wir haben beispielsweise gelernt, wie man einen Notruf absetzt, welche Katastrophen es gibt und wo sie passieren können.“

Auch ein Thema im Unterricht: Was nehme ich mit, wenn ich im Notfall schnell das Haus verlassen muss?

So gebrieft begegneten die Mädchen und Jungen schließlich den knapp 20 Ehrenamtlichen der Dettinger Feuerwehr, des DRK und der DLRG-Ortsgruppe in der Ermsgmeinde sowie einer Abordnung des Technischen Hilfswerks Reutlingen. Und die erzählen nicht nur, sondern zeigen gleich Wege in die Praxis auf.  An jeder Station gibt es für die Sechser etwas zu greifen, zu erleben, zu verstehen. Abwechselnd füllen die Kids mit den Feuerwehrleuten um Nils Parpat Sandsäcke als Schutzwall gegen Hochwasser-Szenarien, die sich übrigens just an der Schillerschule schon mehrfach abgespielt haben. Erst 2016 und 2019 hat es den Dettingen besonders getroffen. Vor allem im Bereich des Schulzentrums liefen damals Keller und Hallen voll. 2016 stand das ganze Untergeschoss der Schillerschule raumhoch unter Wasser, das sich zunächst im Talgraben sammelte und dann mit großer Wucht Schule, Schillerhalle und Walter-Ellwanger-Kinderhaus überflutete.

Zumindest die dienstälteren Lehrer dürften sich an diese Zeit noch gut erinnern. Und auch, wenn die Gemeinde seitdem einiges in den Hochwasserschutz investiert hat: „Wir können nicht ausschließen, dass etwas in dieser Art wieder passiert“, sagt der stellvertretende Schulleiter Jochen Kuhn.

Die Kids stapeln inzwischen Säcke, bis sie an diesem warmen Herbsttag ins Schwitzen geraten.  „Stellt euch vor, das Wasser kommt schneller, als ihr denkt“, ruft ein Feuerwehrmann – und plötzlich ist das Befüllen kein richtiges Spiel mehr.

Ein paar Meter weiter liegt eine Übungspuppe auf einer Decke. Sabrina Scheurle, Markus Müller und andere DLRG-Mitglieder aus Dettingen zeigen, wie man im Notfall mit der Beatmung beginnt. Erst scheu, dann mutiger nähern sich die Kinder, lernen Rhythmus und Handgriff. „Ich hab mich erst nicht getraut“, sagt ein Schüler, „aber jetzt weiß ich, wie’s geht.“

Mit dem THW üben die Kids, wie man Trümmerteile anhebt, also Menschen befreit, die beispielsweise durch ein Erdbeben verschüttet worden sind. Auf dem Boden liegen Bretter, es geht um das sichere Retten von Personen: Wer ruft, wer bleibt ruhig, wer organisiert Hilfe? Die Ehrenamtlichen helfen, greifen aber kaum ein – die Kinder sollen selbst Lösungen finden.

Feuer, Hochwasser, Erdbeben. Beim Katastrophenschutztag geht es nicht um Schreckensszenarien, sondern vor allem um Handlungsmöglichkeiten – was tun, wenn der Keller vollläuft, wenn das Haus wackelt, wenn Rauch aufsteigt? Nicht zum Portfolio beim Üben gehört übrigens das Thema Amoklauf an Schulen, erklärt Jochen Kuhn.

Und wenn das Handy ausfällt?

Die Ehrenamtlichen von Feuerwehr, THW, DRK und DLRG erzählen dafür von echten Einsätzen, von Hochwasser und Hilfe in der Not. Die Kinder stellen viele Fragen: Wie schwer ist ein Feuerwehrschlauch? Wie lange dauert ein Einsatz? Und was passiert eigentlich, wenn das Handy ausfällt?

Am Ende des Nachmittags, als sich die Fahrzeuge der Blaulicht-Fraktion zur Abfahrt rüsten, ist den Sechstklässlern klar:  Katastrophenschutz ist nicht nur etwas für Erwachsene. „Wir wollen, dass unsere Schüler wissen, wie sie sich und anderen helfen können“, sagen Jochen Kund und Niklas Teichert. Deshalb bleibt es nicht nur bei diesem einen Tag – das Üben von Notfallmaßnahmen ist ab sofort fester Bestandteil an der Schillerschule.

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