Infobroschüre ist auf dem Weg

  • Ob sich Amazon in Hengen ansiedeln darf, entscheiden in Bad Uracher die Einwohner. Stadt Bad Urach

Bad Urach Am 9. November haben es die Einwohner in der Hand, ob Amazon mit einem Verteilzentrum nach Hengen kommen darf. Jetzt kann man die Argumente der Befürworter und Gegner in Ruhe studieren.

Etwa vier Wochen vor dem Bürgerentscheid am 9. November, rund um die Frage, ob die Stadt Bad Urach Flächen in Hengen für die Ansiedlung des Onlinehändlers Amazon bereitstellen soll, dürften zahlreiche Haushalte der Stadt dieser Tage Post bekommen. Seit Ende vergangener Woche wird mit den Wahlbenachrichtigungskarten auch eine Infobroschüre im gesamten Stadtgebiet verteilt, die einerseits auf den bevorstehenden Entscheid, aber auch auf die unterschiedlichen Perspektiven beziehungsweise Argumente von Befürwortern und Gegnern hinweist.

Herausgegeben von der Stadt, wird auf zwölf Seiten die Sicht der Stadtverwaltung und von Bürgermeister Elmar Rebmann präsentiert, die der verschiedenen Ratsfraktionen, genauso wie des kritischen Bürgerforums aus Hengen oder aber die Haltung des Unternehmens Amazon selbst. „Nur wer die Fakten kennt und sich ein eigenes Bild macht, kann eine fundierte Entscheidung treffen“, so Bürgermeister Rebmann im Vorwort. „Unabhängig davon, ob Sie für oder gegen das Vorhaben stimmen, jede Stimme zählt“, fordert er die Kurstädter auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Sie alle können mit Ja oder Nein über die Frage abstimmen: „Soll die Stadt Bad Urach städtische Flächen zur Ansiedlung von Amazon zur Verfügung stellen?“

So simpel die Frage auch daherkommen mag, so diffizil ist sie mitunter zu beantworten. Für ein klares Ja plädiert indes der Chef des Rathauses, Elmar Rebmann. „Nach intensiver Abwägung aller Fakten und Möglichkeiten sehe ich in der Ansiedlung des Amazon-Verteilzentrums überwiegend Vorteile für unsere Stadt“, schreibt er in seiner Wahlempfehlung. Es gehe darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Wirtschaftskraft zu stärken und die Zukunft von Bad Urach zu sichern, verweist er auf Chancen für die Stadt und ihre Einwohner und unter anderem auf Gewerbesteuereinnahmen.

Uneindeutige Haltung

Die größte Ratsfraktion hingegen, die CDU, verzichtet bewusst darauf, eine Empfehlung auszusprechen. „Die verschiedenen Positionen in der Bürgerschaft spiegeln sich auch in unserer Fraktion wider“, heißt es in ihrem Statement. Es gäbe in den eigenen Reihen Befürworter und ablehnende Stimmen. Stattdessen setzt man auf eine sachliche und ausgewogene Auseinandersetzung, die es jedem ermögliche, sich eine eigene fundierte Meinung zu bilden.

Geschlossen für die Ansiedlung ist derweil die FWV. Man erkenne den Flächenverbrauch und den zunehmenden Straßenverkehr an, der in der Praxis jedoch weit geringer ausfallen werde, als in der Maximalprognose angenommen. Grundsätzlich aber hält die Fraktion fest: „Wenn Regionalität und Landschaftsschutz im Biosphärengebiet bei jeder größeren Ansiedlung als Blockade wirken, steht die Weiterentwicklung der Stadt auf dem Spiel. Wir leben und arbeiten nicht unter einer Käseglocke.“ Fortschritt und Nachhaltigkeit müsse gemeinsam und nachhaltig gedacht werden.

Eine Gegenposition hierzu nimmt die SPD/AB-Fraktion ein, indem sie das Vorhaben einstimmig ablehnt. Die Zunahme des Verkehrsaufkommens kritisiert sie als „nicht hinnehmbar“. Zudem sollten aus ihrer Sicht umweltverträgliche Wirtschaftsformen gefördert und sachhaltiger Tourismus entwickelt – nicht aber Ressourcenerhalt gegen wirtschaftliches Wohlergehen ausgespielt werden. Mit der Bebauung des vorgesehenen Amazongeländes „trennen wir uns von einer artenreichen, erhaltenswerten Kulturlandschaft“, so die SPD/AB.

Im „Kampf gegen Goliath“

Die immer wieder aufflammende Kritik an Amazon, im Zusammenhang mit Arbeitnehmerrechten, Besteuerung und Transparenz, bezeichnet die Grünen-Fraktion in ihrem Statement als berechtigt, sie sei in erster Linie jedoch die Aufgabe nationaler oder europäischer Regulation. Die Verhinderung eines Verteilzentrums sei hierbei keinesfalls hilfreich. Die Belastung von Anwohnern und Umwelt, insbesondere durch den Straßenverkehr, wird von den Grünen im Rat als zumutbar angesehen. Man habe und werde die Ansiedlung nach kritischer Abwägung auch weiterhin unterstützen. „Dies geschieht im Bewusstsein, dass wir damit manche Menschen auch enttäuschen werden“.

Mehrere tausend Fahrzeuge pro Tag, die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur, Arbeitsplätze ohne Perspektive und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten für regionale Unternehmen bemängelt das Bürgerforum Hengen in seiner Ablehnung. Zudem widerspreche ein „klotziges, hell beleuchtetes Verteilzentrum“ klar einer naturschutzorientierten und nachhaltigen Regionalentwicklung. Amazon sei überdies ein internationales Handelsunternehmen, das ausschließlich wirtschaftlichen Überlegungen folge. „Mit Marktmacht und Marketing setzt Amazon seine Interessen durch – auch ohne Vorteile für den Standort“, so das Bürgerforum, in seinem „Kampf gegen Goliath“.

Knapp 9500 Stimmberechtigte

Auf die Schaffung von 150 Arbeitsplätze allein im Verteilzentrum, zuzüglich weiterer hunderte bei seinen Logistikpartnern, verweist Amazon selbst. Dabei würde Amazon wettbewerbsfähige Löhne zahlen, auch bei Beschäftigungen ohne Vorqualifikation. Und was die Verkehrssituation betrifft, würden an normalen Tagen rund 200 bis 250 Zustellfahrzeuge eingesetzt. Teil der Planung sei ein Verkehrsgutachten gewesen. Das Gutachten hantiere aber mit theoretischen Maximalzahlen, die in der Praxis nicht erreicht werden würden. „Ein Standort macht keinen Sinn, wenn die Zustellfahrzeuge regelmäßig im Stau stehen.“ Amazon sei mittlerweile fest verwurzelt in Deutschland. 40.000 Mitarbeiter seien fest angestellt, im Jahr 2024 habe Amazon insgesamt sieben Milliarden Euro an den deutschen Fiskus bezahlt. „Wir wollen ein guter Nachbar sein“, schließt das Unternehmen.

Nach aktuellen Angaben sind am 9. November 9496 Bad Uracher stimmberechtigt. Dabei gilt ein sogenanntes Quorum. Das heißt, damit der Entscheid gültig ist, muss die mehrheitlich gewählte Antwort von mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten unterstützt werden.

Unabhängig davon, ob Sie für oder gegen das Vorhaben stimmen, jede Stimme zählt. Elmar Rebmann Bürgermeister

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