„Frauen müssen sichtbarer werden“

  • In der Gesprächsrunde in der Vhs wurden die Frauen für ihr Engagement für die Stadt und viele Benachteiligte gewürdigt. Foto: Norbert Leister

Reutlingen Das Frauenforum präsentierte in der Volkshochschule am Dienstagabend sieben engagierte Frauen, die für ihr herausragendes Engagement hohe Auszeichnungen erhielten.

Frauen müssen sichtbarer werden“, forderte Verena Hahn am Dienstagabend als Sprecherin des Reutlinger Frauenforums in der VHS. Zumal die Tendenzen bundesweit momentan in eine andere Richtung gingen: Beim Thema Gleichstellung „gibt es dramatische Rückschritte“, so Hahn. Um das zu ändern – auch im Hinblick auf die anstehende Landtagswahl am 8. März kommenden Jahres – waren am Dienstagabend sieben Frauen in die VHS geladen. Diese sollten sichtbar machen, dass sie sich in Reutlingen, für Reutlingen und darüber hinaus enorm engagiert haben.

Zum Beispiel Edeltraut Stiedl: Vor kurzem erst war die langjährige SPD-Gemeinderätin für ihr kommunalpolitisches und soziales Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. „Zunächst dachte ich, dass ich all das doch freiwillig mache“, dann sei sie aber doch auch stolz gewesen. Oder Bettina Noack: Sie hat das Reutlinger Mütter- und Nachbarschaftszentrum mit aufgebaut, ist dort seit 36 Jahren aktiv.

Ihren Einsatz für die Benachteiligten in der Gesellschaft habe sie stets als selbstverständlich betrachtet, einige Auszeichnungen (darunter den Landesverdienstorden) dann aber doch auch stolz angenommen. „Ich will anderen Frauen Mut machen, dass sie sich auf ihre Stärken besinnen“, sagte Noack am Dienstagabend.

Barbara Bosch war 16 Jahre lang Oberbürgermeisterin in der Stadt. Doch ihr ehrenamtliches Engagement reiche noch viel weiter, sie sei auch mal Vorsitzende eines Frauenhausvereins gewesen. Dazu ist sie nun Präsidentin des Landes-Rot-Kreuz-Verbands und Staatsrätin in der Landesregierung. „Bei Auszeichnungen wird man auch nachdenklich, vieles war doch nur möglich, weil man mit vielen engagierten Leuten zusammengearbeitet hat“, sagte Bosch in der VHS.

Ursula Göggelmann war als Theologin Klinikseelsorgerin in Reutlingen, im Arbeitskreis Vorsorge aktiv, in der Vesperkirche, in der Reutlinger Frauengeschichtswerkstatt und bei weiteren mehr. Auch sie hat einige Auszeichnungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz. Sie sei eine „Kämpferin für die Schwachen“, betonte eine der sieben Sozialarbeits-Studentinnen, die an diesem Abend die Moderation übernahmen.

„Wenn die Verdienste einem so vorgelesen werden, kommt es mir vor, als säße ich bei meiner eigenen Beerdigung“, sagte Göggelmann mit Augenzwinkern. Aber: Sie habe es immer so empfunden, dass sie die Ehrungen für die Arbeit der gesamten Gruppe erhielt. „Viel wichtiger ist das Unsichtbare – ich habe so viele tolle Frauen kennengelernt, die sich etwa in die Vesperkirche oder in den Ambulanten Hospizdienst einbringen“, so Göggelmann.

Rosemarie Henes hat in Reutlingen die Inklusion und die Bedeutung von Behindertenarbeit enorm vorangebracht. BAFF, Feder und Kaffeehäusle sind unter ihrer Federführung entstanden. Das Bundesverdienstkreuz habe sie gerne erhalten, aber: „Noch wichtiger als diese Aufmerksamkeit wären Veränderungen auf der politischen Ebene“, betonte die Sozialpädagogin. Sie habe „nicht viel Geld, aber viele Chancen und tolle Freiräume gehabt“. Von der inklusiven Kulturarbeit habe ganz Reutlingen profitiert.

Professorin Monika Barz hat an der Evangelischen Hochschule in Reutlingen und Ludwigsburg gelehrt, sich in der autonomen Frauenbewegung ebenso engagiert wie in der Lesbenbewegung innerhalb und außerhalb der Evangelischen Kirche. Für ihr Engagement wurde sie unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. „Da war ich dann ‚genannt‘, obwohl die Auszeichnung politisch berechtigt war“, so Barz. Galina Lerner kam als jüdische Kontingentgeflüchtete aus St. Petersburg nach Deutschland, hat sich in Reutlingen massiv für bessere Bildungschancen und Integration von Migrantinnen eingesetzt. Sie war Vorsitzende im Verein Dialog und bei BIM, erhielt die Landesverdienstmedaille.

„Ich habe meinen zwei Töchtern gezeigt, dass das eigene Engagement irgendwann gewürdigt wird.“ Lerner hat vielen Frauen mit Migrationsgeschichte geholfen, dass sie selbstbewusster in die Gesellschaft starten konnten.

Edeltraut Stiedl sagte in der Gesprächsrunde abschließend: „Hier sitzt nun die geballte Frauenpower, die sich alle für das Gemeinwohl einsetzt – wir müssen nun aufpassen, dass in den Haushaltsberatungen der Stadt nicht genau dort gespart wird, wo Frauen betroffen sind.“

Vieles war ja nur möglich, weil man mit vielen Leuten zusammen- gearbeitet hat. Barbara Bosch Präsidentin DRK Baden-Württemberg

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