Es ist wichtig, Kindern gegenüber ehrlich zu sein

  • Zweites Fachsymposium des Vereins Sonnenstrahlen (von links): Elisabeth Steyer, Angelika Weckmann, Thomas Reumann, Elvira Reumann und Gabriele Hasler. Foto: Verein Sonnenstrahlen

Pfullingen Fachsymposium des Fördervereins Sonnenstrahlen und der Akademie der Kreiskliniken zum Thema „Nicht beachtete Kinder sind die Patienten von morgen“.

Unter der Prämisse „Prävention verhindert krankhafte Trauerarbeit“ fand jetzt ein Fachsymposium des Fördervereins Sonnenstrahlen und der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen zum Thema „Nicht beachtete Kinder sind die Patienten von morgen“ statt, wie es in einer Mitteilung des Fördervereins an die Medien heißt.

Kinder und Jugendliche von schwer erkrankten Eltern leiden mit. „Eine Familie wird unter einer Krebserkrankung dysfunktional“, sagte Professor Gernot Lorenz aus dem Vorstand des Vereins Sonnenstrahlen kürzlich in der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen als Schlussfazit des 2. Fachsymposiums unter dem Titel „Nicht beachtete Kinder sind die Patienten von morgen“. Unabdingbar sei genau deshalb Prävention notwendig – damit Kinder nicht krank werden.

Der Einladung der Akademie und des Vereins waren rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefolgt. Es waren vor allem Mitarbeiterinnen aus Schulen, Kindertageseinrichtungen, der Schulsozialarbeit, von Kirchen oder aus der Jugendarbeit.

Sozialminister Manne Lucha verdeutlichte in einer Videobotschaft, wie wichtig die Arbeit mit den Kindern in Familien mit schwer erkrankten Eltern ist. Bei einem Markt der Möglichkeiten präsentierten sich an diesem Fachsymposiums-Tag in der Akademie Kooperationspartner des Vereins wie „Frühchen e.V.“, Wirbelwind, der Kinderschutzbund, das Hospiz Veronika, die AOK und die Ambulante Krebsberatungsstelle und der Ambulante Hospizdienst.

Bei zwei Fachvorträgen hoben die Referentinnen „die Kraft der Ehrlichkeit im Krankheits- und Sterbeprozess“ hervor, wie Sabine Rachl als palliative Musiktherapeutin betonte. „Kinder spüren, wenn Erwachsene nicht authentisch sind und sie schützen wollen“, so Rachl. „Eine ehrliche Sichtweise ist aber dringend erforderlich.“ Wichtig sei, Kinder und ihre Selbstwirksamkeit zu stärken, forderte Mechthild Schroeter-Rupieper. „Weil die Großen Angst haben, offen und ehrlich zu sein, machen sie Kindern Probleme“, so die Pionierin der Familientrauerarbeit im deutschsprachigen Raum. Das zweite Symposium dieser Art fußte auf dem ersten. „Wenn Eltern krank werden, müssen Kinder frühzeitig wahrgenommen und aufgefangen werden“, sagte der Vereinsvorsitzende Thomas Reumann – und forderte damit deutlich zu mehr Prävention in dem Bereich auf.

Aber: Wie gehen Kinder mit der Erkrankung von Mutter oder Vater um? „Die Krankheit ist für sie oft schwer auszuhalten“, berichtete Elvira Reumann als Ergo- und Reittherapeutin im Verein Sonnenstrahlen. Trauer, Angst vor einer möglichen Trennung der Eltern, vor dem Tod des oder der Kranken – in solcher „emotionalen Achterbahnfahrt sind Kinder auch wütend, das gehört dazu“, betonte Elvira Reumann. Die Therapeutinnen des Vereins – neben Reumann sind das Elisabeth Steyer, Angelika Weckmann, Gabriele Hasler und eine Musiktherapeutin – bieten unterschiedliche Wege, um mit dieser Angst, der Trauer und der Wut umgehen zu können. Das kann über Kunst wie das Malen von Bildern geschehen, über Musik, über Pferde oder über Bewegung. „Es gibt viele Wege, diese Emotionen zu verbalisieren“, so Lorenz.

Wie aber gehen Schulen, Kindergärten, andere Einrichtungen mit einem Kind um, wenn ein Elternteil gestorben ist? Heidrun Schmid-Salzer sagte als ehemalige Leiterin der Pfullinger Uhlandschule: „Wir haben versucht, eine gute Schulgemeinschaft zu bilden, die Kinder im Trauerfall auffangen und stärken kann.“ Wenn das nicht ausreichte, habe sich die Schule auch Hilfe von außen geholt. Zuzana Nitsch-Rohac erlebte als Schulsozialpädagogin immer wieder solche Trauerfälle. Dabei seien die betroffenen Kinder zumeist sicherer als das Schulpersonal. „Kinder vertrauen sich mit ihren Gefühlen den Erwachsenen an, die das aushalten können.“ Rita Leonhard vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst berichtete von ihrer alltäglichen Arbeit, „wir versuchen in den Familien Freiräume für Kinder und Eltern zu schaffen“. Gernot Lorenz sagte abschließend: „Wenn ein Kind stabilisiert wird, wirkt sich das auf das ganze Familiensystem aus – und tröstet auch den betroffenen Kranken.“ Frühzeitige Hilfe für betroffene Kinder „verhindert eine krankhafte Art der Trauerbewältigung“.

Weil die Großen Angst haben, offen und ehrlich zu sein, machen sie Kindern Probleme. Mechthild Schroeter-Rupieper Pionierin der Familientrauerarbeit

Kinder vertrauen sich mit ihren Gefühlen den Erwachsenen an, die das aushalten können. Zuzana Nitsch-Rohac Schulsozialpädagogin

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