Wenn „kritische Rohstoffe“ zur Waffe werden

  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang bei einem Treffen im Juli. Foto: Andres Martinez Casares/EPA Pool/AP/dpa

Welthandel China nutzt gezielt die Abhängigkeiten der europäischen Wirtschaft von manchen Ressourcen als Druckmittel. Die EU will das nicht länger hinnehmen und steuert dagegen.

Brüssel. Europa ist von China gefährlich abhängig. Die Führung in Peking kann mit einem Machtwort die Industrieproduktion in wichtigen Bereichen ins Wanken bringen. Wie groß die Bedrohung ist, zeigen die aktuellen Lieferengpässe beim niederländischen Chip-Hersteller Nexperia, dem weltgrößten Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren.

Die Regierung in Den Haag hatte in einem ungewöhnlichen Vorgang die Kontrolle über das Unternehmen übernommen, das zum chinesischen Wingtech-Konzern gehört. Offenbar sollten damit Strafmaßnahmen der USA vermieden werden. Dort steht Wingtech auf der Sanktionsliste. Peking belegte die Nexperia-Produkte daraufhin mit einem Exportstopp. In der Folge warnte unter anderem der Verband der Europäischen Automobilhersteller vor einem akuten Mangel an Chips.

Diese Eskalation wirkte in Brüssel wie ein allerletzter Weckruf. Über Jahre wurden die Warnungen vor dem zu großen Einfluss Chinas in diplomatische Floskeln verpackt – das hat nun ein Ende. „Wenn man bedenkt, dass wir mehr als 90 Prozent unseres Bedarfs an Magneten aus Seltenen Erden durch Einfuhren aus China decken, sieht man, welche Risiken hier für Europa und seine strategisch wichtigsten Industriesektoren bestehen“, betonte die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Wochenende bei der Konferenz „Berlin Global Dialogue“.

Sie kündigte einen Plan namens RESourceEU an: „Ziel ist es, unserer europäischen Industrie kurz-, mittel- und langfristig den Zugang zu alternativen Quellen für kritische Rohstoffe zu sichern.“ Eine Maßnahme sei das Recycling, um wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Zudem sollen neue Partnerschaften geschlossen werden, etwa mit der Ukraine, Australien, Chile oder Kanada.

Seit einigen Wochen herrscht zwischen der EU und China ein offen ausgetragener Handelsstreit um Seltene Erden und Halbleiter. Peking hatte Anfang Oktober seine Exportkontrollen für Seltene Erden verschärft. Jetzt benötigen Unternehmen eine Genehmigung der Behörden, wenn sie Maschinen und Technologien für Abbau und Verarbeitung der Materialien aus China exportieren. Für ausländische Unternehmen gelten zusätzliche Einschränkungen: Sie brauchen auch eine Genehmigung für den Export von Produkten, die Seltene Erden enthalten.

Beide Seiten versichern, dass man daran arbeite, die Differenzen beizulegen. So wird EU-Handelskommissar Maros Sefcovic in diesen Tagen den chinesischen Handelsminister Wang Wentao in Brüssel empfangen. Bei dem Treffen soll es um „dringende Lösungen“ im Zusammenhang mit den chinesischen Exportbeschränkungen gehen.

Europa müsse angesichts der fundamentalen Umwälzung in der Welt grundsätzlich umdenken, forderte nun von der Leyen. „Ob es um Energie geht oder um Rohstoffe, Verteidigung oder Digitales: Europa muss seine Unabhängigkeit anstreben.“

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