Zwischen allen Stühlen

  • Konservativer, Medienunternehmer und jetzt Kulturstaatsminister: Wolfram Weimer. Michael Kappeler/dpa

Regierung Der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gilt als ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Friedrich Merz. In den Lagern links und rechts eckt er jedoch an. Und nicht nur dort.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer kann überraschen. Anfang Mai tritt er zum ersten Mal ans Rednerpult des Deutschen Bundestags und die Abgeordneten des Mitte-Links-Spektrums gehen schon mal in Deckung. Aber Weimer spricht sanft und freundlich. Bedankt sich höflich bei seiner Vorgängerin Claudia Roth, kündigt eine dialogorientierte Amtsführung an und verspricht sogar, die Kulturpolitik „nicht nach rechts“ zu rücken. Bemerkenswert, dass er das so betonen musste. Ihm eilt ein Ruf voraus. Er hat nie damit hinter den Berg gehalten, dass er sich als Konservativer versteht. Aber auch bei den Konservativen gibt es solche und solche. Es gibt die Konservativen, die mit einer grundgelassenen Ironie, auch Selbst-Ironie, auf die Weltläufte blicken.

Aber Gelassenheit ist nicht gerade Weimers Kerntugend. Seine Schriften sind eher durchzittert von der Angst vor Veränderung, tief beunruhigt von dunklen Bedrohungen für die westliche Zivilisation. „Während Generation um Generation in einer Jahrtausende währenden Selbstverständlichkeit die Fortdauer der eigenen Familie, des eigenen Blutes, der Sippe, des Stammes, der Nation, der Kultur, der Zivilisation als einen heiligen Moment des Lebens begriffen hat, so zerbricht dieses Bewusstsein plötzlich in Scherben“, stoßseufzt er in seinem „Konservativen Manifest“. Kultur ist ihm eine Wagenburg. Am Lagerfeuer der Tradition schmilzt der Eishauch der Globalisierung. Das ging selbst dem Zentralorgan salonkonservativer Bürgerlichkeit zu weit. Die FAZ nannte ihn schon vor seiner Amtseinführung erschreckt den „falschen Mann am falschen Ort“.Hat Weimer seither die Befürchtungen bestätigt? Eigentlich lässt sich seine bisherige Amtszeit eher als eine Ausweitung der Kampfzone beschreiben. Natürlich hat er sich an dem abgearbeitet, was er als „woke“ beschreibt, das Gendern hat er in der offiziellen Kommunikation seiner Behörde verboten. Er hat viel über Erinnerungskultur gesprochen, wobei der Holocaust und die DDR-Zeit im Fokus stehen, keineswegs die grimmige deutsche Kolonialvergangenheit. Er hat – mit guten Argumenten – gegen die israelfeindlichen Tendenzen an Universitäten und im Kulturbetrieb Stellung bezogen. Und er hat eine verstörende Gleichsetzung von Linkspartei und AfD vorgenommen, die angeblich gleichermaßen Gefährder unserer Demokratie seien.

Weimer hat einige Klischees durchaus erfüllt. Aber in dieses graue Bild mischen sich auch hellere Farben. Er hat genauso tapfer wie erfolgreich für eine Ausweitung seines Etats gekämpft. Sein Einsatz für die Filmbranche, für Verlage und Bibliotheken ist zu erkennen. Er flieht nicht (nur) vor der Kältekammer der Politik in den Trost der warmen Worte. Er kann hart arbeiten.

Und er kann kämpfen. Das ist vielleicht die größte Überraschung: Schon in seiner ersten Bundestagsrede hatte er „fast monopolistische Strukturen“ bei Online-Plattformen kritisiert. Das Thema hat er konsequent durchgehalten. Als er sich zum ersten Mal für eine Digitalabgabe, die große Internetkonzerne wie die Google-Mutter Alphabet und den Facebook-Konzern Meta treffen würde, eingesetzt hatte, wurde die Idee von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) noch kalt abserviert. Aber Weimer blieb am Ball und nun sollen die Eckpunkte der Reform bald vorgestellt werden.

Das ist mutig. Die US-Regierung hört das nicht gern. Als Weimer den KI-Konzernen Chinas und Amerikas gar „geistigen Vampirismus“ vorwarf, meldete sich Trump-Intimus und Ex-Botschafter Richard Grenell zu Wort. Er spricht von einem „massiven Angriff auf die gesamte US-amerikanische Digitalindustrie“. Das ist ein mächtiger Gegner. Manche Beobachter meinen, Anzeichen dafür zu erkennen, dass Grenell sein deutsches Netzwerk gegen Weimer positioniert. Auffallend, dass rechtspopulistische Plattformen wie „Nius“ Weimer nun stärker ins Visier nehmen.

Die Frage der Unabhängigkeit

Steht Weimers jüngster Konflikt damit in Verbindung? AfD-Chefin Alice Weidel wirft der Wochenzeitung „The European“, die in Weimers Medienverlag erscheint, Verletzungen des Urheberrechts vor. Das Magazin hatte lange ohne Honorar öffentlich gehaltene Reden von Politikern einfach abgedruckt. Es ist kaum ein Zufall, dass dieses Thema gerade jetzt hochkocht.

Die Situation ist für Weimer nicht nur auf der Sachebene unangenehm. Weit brisanter ist für ihn, dass er nun auch Fragen bezüglich seiner politischen Unabhängigkeit beantworten muss. Er war bis unmittelbar vor seiner Amtseinführung als Kulturstaatsminister Geschäftsführer und Inhaber der Weimer Media Group. Mit dem Amtsantritt hat er diese Tätigkeit niedergelegt. Seine Anteile hält er aber offenbar immer noch. Das kann für Weimer noch gefährlich werden: Die politischen Kämpfe auch gegen mächtige Gegner kann der Merz-Vertraute durchstehen. Aber bald könnte es persönlich werden.

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