Wald pur und ein großer Abschied

  • Die junge Eiche auf Pfähler Erbstetten trägt jetzt den Namen Ulrich Meyer. Foto: Angela Steidle

Bad Urach Holzernte und Neupflanzung sind die beiden großen Pole im Wirtschaftswald. Ein Kommen und Gehen. Einer nahm beim Waldumgang seinen denkwürdigen Abschied: Revierleiter Ulrich Meyer.

Jetzt bin ich doch baff“ ist ein Eingeständnis, das man von Revierleiter Ulrich Meyer eher selten hört. Es war der Moment am malerischen Grillplatz Pfähler-Eberstetten oberhalb Bad Urachs, an dem Ulrich Meyer vor zehn Jahren neben Brünnele und Hütte eine Eiche gepflanzt hat. Der junge Baum trägt seit Samstag offiziell seinen Namen. Nach 50 Dienstjahren im Wald, 40 davon in Bad Urach, nutzten Gemeinderat, Stadtverwaltung und Ehemalige, Jagdpächter und Forstbedienstete den jährlichen Waldumgang, um sich mit großer Geste von einem zu verabschieden, der die Waldwirtschaft der Stadt geprägt hat wie kein Zweiter. Ein „Förster durch und durch, für den der Wald eine Kraftquelle ist, mit unheimlicher Begeisterung für den Beruf, mit Bedacht, Nachhaltigkeit, Weitblick, zuverlässig und im Umgang sehr menschlich“, betont Bürgermeister Elmar Rebmann bei einer kleinen Feier im Seltbachhaus: „Es fällt uns schwer, Dich gehen zu lassen!“

Nachfolgerin steht parat

Ulrich Meyer geht zum 1. November 2025 in den Ruhestand. „Lob kann man nie genug bekommen“, meint der scherzhaft: „Ich genieße seit ein paar Stunden das wunderschöne Gefühl, dass da draußen eine Eiche steht mit meinem Namen. Ich werde der Stadt nicht verloren gehen“. Um das Lob gleich weiterzugeben: „Wir haben tolle Stammarbeiter. Eine Mannschaft, auf die ich sehr stolz bin“. Obendrein gratulierte er der Stadt zur Nachfolgerin: „Besser hätt`s nicht laufen können. Die Jana Schumacher ist seit 1. Juli im Revier zur Einarbeitung. Die macht das, davon bin ich überzeugt!“

Der Wechsel im Stadtforst mit seinen 1.660 Hektar Hang und Fläche und rund 7.800 Festmetern Jahreseinschlag erfolgt ohne Vakanz, was nicht unbedingt üblich sei, so Ulrich Meyer. Ihre Aufgabe sieht die neue Revierleiterin in der Herausforderung, „den Wald gegen den Klimawandel zu wappnen und die Baumarten-Diversität zu fördern“. Die Tübingerin freut sich auf die Gartenschau: „Das wird bestimmt ein großer Mehrwert für Bad Urach“.

Jana Schumacher hat zuvor im Forst in Eningen gearbeitet und war für Walddorfhäslach zuständig. Studiert hat sie in Rottenburg. Auch Ulrich Meyer denkt als Rentner in Richtung Gartenschau 2027. Eine „sinnvolle Tätigkeit“ schließt er nicht aus, etwa bei Waldexkursionen: „Es geht niemand auf eine Gartenschau, um Plakate anzuschauen“. Der Uracher Revierleiter war in 40 Dienstjahren regelmäßig Wanderführer und dabei wichtiger Ansprechpartner für die städtische Touristik, außerdem zweimal Gemeinderat. Privat greift der künftige Ruheständler inzwischen zur Trompete - ein Kindheitstraum.

Sein letzter offizieller Waldumgang war denkwürdig: Wald pur in allen Herbst-Schattierungen in Hengen „Auf Buch“, dazu der gut eingespielte städtische Waldarbeiter-Trupp unter Haumeister Thomas Nummert bei der seilunterstützten Baumfällung nach Lehrbuch. Der städtische Forst ist als Zulieferer für die Holzindustrie zertifiziert. Ein wichtiger Abnehmer, Zellstoffproduzent Sappi in Ehingen, stehe vor einer Entlassungswelle, berichtet Bürgermeister Rebmann. „Wir haben es schon in der letzten Saison gespürt“, so Revierleiter Ulrich Meyer auf Nachfrage, „wir werden uns beim Industrieholz darauf einstellen. Und Sappi ist nicht der Einzige. Wenn die Baukonjunktur schwächelt, bekommen wir unsere Fichten nicht los.“

Fichte ist der „Brotbaum“

Demonstrativ gefällt wurde zum Waldumgang eine etwa 80 Jahre alte Fichte mit Rotfäule. Eine Pilzerkrankung, die sich von innen heraus übers Wurzelwerk verbreitet. Trotz aller Nachteile sei die Fichte auf der standsicheren Albhochfläche der „Brotbaum“ in der Waldwirtschaft, gibt Meyer zu bedenken, mit einer „wesentlich größeren Stammholz-Ausbeute im Vergleich zur Buche“.

Eine ganz besondere Aktion zum letzten Meyer`schen Waldrundgang: Auf einer vorbereiteten Lichtung pflanzen die Teilnehmer mit eigener Hand einen Jungwald, der dem Klimawandel angepasst ist. Mit Douglasie, Eiche und amerikanischer Roteiche, dem Baum des Jahres 2025. „Das Natürlichste, Beste und Billigste ist die Naturverjüngung“, betont Ulrich Meyer. Neupflanzungen, etwa bei Waldumstellungen, seien die Ausnahme. Bei einem Hektar Kultur-Neupflanzungen können Kosten in Höhe von bis zu 50.000 Euro anfallen, davon die Hälfte für Schutzmaßnahmen. Keine Frage - den Akkord von 60 bis 80 ausgebrachten Baumsetzlingen in der Stunden, den früher im Wald die Frauen hielten, schaffen weder Gemeinderat noch Jagdpächter. Aber das besondere Gefühl, eine neue Generation ins Waldleben gebracht zu haben, bleibt über die Ära Ulrich Meyer hinaus.

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