Zwischen Mensch und Maschine in der Psychiatrie
Reutlingen Rund 200 Fachleute diskutierten bei der 35. Psychiatrischen Ethiktagung über Chancen und Risiken von KI, Robotik und Online-Therapie in der psychiatrischen Versorgung.
Unter dem Titel „Digitale Transformation in der Psychiatrie – Möglichkeiten und Grenzen“ fand am Welttag der Seelischen Gesundheit die 35. Psychiatrische Ethiktagung des ZfP Südwürttemberg und der PP.rt Reutlingen statt. Rund 200 Fachleute diskutierten in Reutlingen über Chancen und Risiken digitaler Technologien in der psychiatrischen Versorgung.
„Psychiatrische Versorgung bemüht sich um Menschen – sie steht mitten im Leben und muss zugleich in einer zunehmend digitalen Welt eine ethisch reflektierte Handlungsweise finden“, eröffnete Prof. Dr. Gerhard Längle, Geschäftsführer der PP.rt und Regionaldirektor im ZfP Südwürttemberg die Veranstaltung. Digitale Hilfsmittel wie Robotik, KI und Online-Therapieformate böten Chancen, dürften aber die zwischenmenschliche Beziehung nicht ersetzen. Ziel der Tagung sei es, verantwortungsvolle Einsatzmöglichkeiten auszuloten und Transparenz über digitale Hilfen zu schaffen.
Einen anschaulichen Einstieg bot die Vorstellung des empathischen Kommunikationsroboters „Navel“ durch Dr. Hubertus Friederich, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik Alb-Neckar, sowie den Pflegerischen Direktor Ralf Aßfalg. Das System kann Gespräche führen, Emotionen erkennen und zur Aktivierung anregen – soll aber menschliche Pflegekräfte nicht ersetzen. Ein sechsmonatiger Testlauf auf zwei gerontopsychiatrischen Stationen am ZfP-Standort Zwiefalten ist geplant. „Die zwischenmenschliche Beziehung bleibt unverzichtbar“, so Aßfalg. Friederich erinnerte daran, dass der Einsatz solcher Technologien stets an den „Prinzipien der Biomedizinischen Ethik“ gemessen werden müsse: Respekt vor Autonomie, Wohltun, Nichtschaden und Gerechtigkeit.
Roboter in der Pflege
Julia Kämmer von der Katholischen Stiftungshochschule München stellte das Forschungsprojekt SMiLE2getherGaPa vor, das gemeinsam mit Pflegefachkräften praxisnahe Einsatzmöglichkeiten für robotische Assistenzsysteme entwickelt. Psychotherapeutin Leonie Bauer präsentierte aktuelle Erkenntnisse zu digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Diese böten flexible Therapieformen mit geringen Zugangshürden, erforderten jedoch sorgfältige Prüfung von Wirksamkeit, Datenschutz und Haftungsfragen.
Dr. Frank Schwärzler, Ärztlicher Leiter der PP.rt Reutlingen, hob hervor, dass Empathie das Herz jeder therapeutischen Beziehung bleibe und nicht programmierbar sei. KI könne empathisches Verhalten simulieren, aber menschliche Begegnung nicht ersetzen. „Gerade angesichts eines drohenden Fachkräftemangels ist es verlockend, auf KI zu setzen – doch Datenschutz und ethische Verantwortung dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten“, so Schwärzler.
Auch innerhalb des ZfP Südwürttemberg wird an digitalen Lösungen gearbeitet: Dieter Haug, Leiter des Zentralbereichs Verwaltung und Zentrale Dienst, und IT-Leiterin Angelika Gasser zeigten, wie interne KI-Systeme zur Wissensorganisation beitragen sollen. Ein lokal betriebener Chatbot könne künftig Wissen zugänglich machen, ohne Datenschutzrisiken zu erhöhen. Voraussetzung sei eine offene Unternehmenskultur und ein klar geregeltes Datenschutzkonzept.
In Workshops diskutierten die Teilnehmenden anschließend über digitale Therapieformate, robotische Pflegeunterstützung und ethische Fragen der Automatisierung. „Gerade in der Psychiatrie müssen wir genau hinsehen, wo Technik echte Hilfe leistet – und wo sie das Miteinander verändert“, fasste Uwe Armbruster, Pflegedirektor der PP.rt und Moderator der Tagung, den Tenor zusammen. Zum Abschluss betonte Prof. Längle: „Es geht nicht um Fortschritt um jeden Preis, sondern um eine verantwortungsvolle Integration neuer Möglichkeiten in eine humane Psychiatrie.“
Datenschutz und ethische Verantwortung dürfen nicht aus dem Blick geraten. Dr. Frank Schwärzler, Ärztlicher Leiter der PP.rt Reutlingen