Für das Klima und gegen Rechts

  • Der Demonstrationszug verlief vom Listplatz aus über den ehemaligen ZOB und die Lederstraße in die Wilhelmstraße und zum Marktplatz. Mehrere hundert Teilnehmer beteiligten sich und warben für den Klimaschutz. Alexander Thomys
  • Vorbildlich machten die Demonstranten den Weg für einen Rettungswagen frei. Zwei Autofahrer an einer roten Ampel in der Lindachstraße behinderten die Einsatzfahrt dagegen wesentlich länger. Alexander Thomys

Reutlingen Mehrere hundert Demonstranten beteiligten sich in der Achalmstadt am „Globalen Klimastreik“ von Fridays for Future. Unter den Teilnehmern sind längst nicht nur Schülerinnen und Schüler.

Pünktlich nach dem Ende der Sommerferien machte die Organisation Fridays for Future (FFF) am Freitagmittag wieder für den Klimaschutz mobil: Mehrere hundert Menschen versammelten sich am Listplatz, um über den ZOB, die Lederstraße und die Wilhelmstraße zum Marktplatz zu laufen, wo auf einer Abschlusskundgebung Reden rund um den Klimaschutz gehalten wurden. FFF ist als Jugendbewegung von Schülerinnen und Schülern ins Leben gerufen worden, ihre Demonstrationen sind aber schon längst über die eigene Altersgruppe hinausgewachsen. Eltern mit Kindern nahmen eben so teil wie Senioren, die sich beispielsweise als „Omas gegen Rechts“ in den Demonstrationszug einreihten. Auch Fahnen von NABU und BUND waren zu erkennen, unter den Teilnehmern waren auch die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke und ihr grüner Parteikollege Holger Bergmann, Stadtrat in Reutlingen.

Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, um den Demonstrationszug abzusichern. Insbesondere auf der Lederstraße tauchen im gesperrten Bereich immer wieder Fahrzeuge auf, die etwa aus der Rathausstraße abbogen. „Wo kommen den jetzt noch Autos her?“, schüttelte eine der beteiligten Beamtinnen verbal den Kopf. Knifflig wurde es auf der Lederstraße, als ein Notarzt-Einsatzfahrzeug auf Einsatzfahrt auf die Lederstraße einbog. Zwar machten die Demonstranten umgehend die Busspur frei, doch nutzte ein Rentner mit seinem schwarzen Volkswagen die Gelegenheit, im Schatten des Notarztwagens durch die Polizeiabsperrung zu fahren – prompt steckte das Auto im Demonstrationszug fest, es kam zu Wortgefechten zwischen dem Senior am Steuer und gleichaltrigen Demonstranten. Ein wachsamer Polizeibeamter hatte die Lage im Blick, alles blieb indes friedlich. Kurze Zeit später nahte ein Rettungswagen auf Einsatzfahrt heran – wieder machten die Klimaschützer umgehend die Straße frei. Und mussten sich gedulden, denn der Rettungswagen stand auf der Lindachstraße hinter zwei Fahrzeugen her, die selbst durch Blaulicht und Martinshorn nicht dazu bewegt werden konnten, dem Rettungswagen an der roten Ampel Platz zu verschaffen.

Die Demonstranten machten sich für den Klimaschutz und die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles zur Eindämmung der Erderwärmung stark, forderten insbesondere einen schnelleren Kohleausstieg und eine Verkehrswende. Voraus trugen die Demonstranten ein Banner mit der Aufschrift „Eure Ampel steht auf Klimakrise“ und kritisierten die Bundesregierung scharf. Sie fragten: „Wo ist der Klimakanzler?“ und schossen sich verbal vornehmlich auf Verkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) ein. Die Demonstranten waren sich lautstark sicher: „Ohne uns passiert nicht viel.“

Mitunter aber waren die Slogans der Demonstrierenden nicht ganz auf dem neuesten Stand. Etwa wenn es hieß, „CO2 gehört besteuert“ – was durchaus bereits der Fall ist, auch wenn über die Höhe durchaus debattiert werden kann. Für stirnrunzeln bei einigen Zuhörern sorgte auch der Ausspruch „Hoch die internationale Solidarität“ – wobei letztere zur Forderung der globalen Klimagerechtigkeit durchaus passend erscheint. Die Demonstranten versprachen: „Auf die Straße immer wieder – gegen Nazis, für das Klima!“

Während es von manchen Gästen der Außengastronomie in der Altstadt auch einmal Applaus gab, waren auch die Kritiker nicht weit:  Ein Mittfünfziger im Hawaiihemd etwa empörte sich, die Protestierer würden „Deutschland zerstören“ und behauptete, Klimaaktivisten wären für Waldbrände verantwortlich. Solch abstruse Verschwörungstheorien bildeten aber die klare Minderheit. Unterstützung erhielt der Mann nur von einer Seniorin und einem Gemüsehändler, der lauthals betonte, in seinem Heimatland würde die Polizei unter Erdogan „nicht so nett mit den Demonstranten umgehen“.

Die Politiker verhindern radikale Maßnahmen, die eigentlich notwendig wären. Paul Redner auf der Abschlusskundgebung.

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