Eine Erbschaft als Munition im parteiinternen Stellungskampf

  • Streit in der Partei um den Umgang mit einer geerbten Wohnung: Markus Frohnmaier und Emil Sänze (rechts) stehen seit Juli 2022 an der Spitze der Südwest-AfD. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

AfD Prozess um Schadenersatz und eine Strafanzeige: Umgang mit Immobilie befeuert Lagerbildung kurz vor dem AfD-Landesparteitag in Rottweil.

Streit bis ins Persönliche ist in der AfD Baden-Württemberg nichts Ungewöhnliches. Ein Erbfall aus dem Jahr 2021 kocht nun vor dem vorgezogenen AfD-Parteitag in Rottweil am 24. und 25. Februar parteiintern hoch – beschäftigt aber auch die Justiz. Hintergrund ist auch die aktuelle Lagerbildung im Vorstand und im Landesverband.

Sieben Vorstandsmitglieder haben sich in den vergangenen Wochen gegen die beiden Co-Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier und Emil Sänze sowie weitere Vorstandsmitglieder gestellt, 21 Kreisverbände wiederum werfen diesen sieben Vorstandsmitgliedern Blockadepolitik vor.

Die Geschichte, zu der uns Dokumente und zahlreiche Informationen aus den Reihen der AfD vorliegen, begann 2021 im Kreis Ludwigsburg. Der dortige AfD-Kreisverband erbte eine Wohnung in Asperg, Kreisvorsitzender ist der Bundestagsabgeordnete Martin Hess. Der Kreisverband, unerfahren im Umgang mit einer Erbschaft, beschloss den Verkauf an den Sohn eines Vorstandsmitglieds zum Preis von 125 000 Euro – viel zu niedrig, wie es aus den Reihen der Kritiker heißt. Es habe sich um eine Dachgeschosswohnung mit massivem Sanierungsstau gehandelt, ist auf der Gegenseite zu hören. Auch mit den Pflichtteilserben gab es eine Einigung. Der hoffnungsfrohe Beinahe-Besitzer begann schon mit Renovierungsarbeiten.

Offenbar zu voreilig: Zwar hatte das Amtsgericht dem Kreisverband einen Erbschein ausgestellt, mehrere Notare lehnten aber den Eintrag im Grundbuch ab, weil der Kreisverband einer Partei nicht grundbuchfähig ist. Dann kam der Landesverband ins Spiel, damals geführt von Alice Weidel. Ihr Stellvertreter war Martin Hess. Der Vorstand bewertete die Wohnung ebenfalls mit 125 000 Euro, „eine Eigenschätzung ohne offizielles Gutachten“, so die Kritiker.

Neuer Preis

Im Juli 2022 wählte der Landesparteitag eine neue Führung. Der Ludwigsburger Hess, der zum gemäßigten Lager gerechnet wird, und der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel, Exponent des Rechtsaußenflügels, scheiterten beim Kampf um die Spitze, stattdessen kamen Erwin Sänze und Markus Frohnmaier ans Ruder. Beim Parteitag gab es bereits heftige Kritik am Finanzgebaren des von Weidel geführten alten Vorstands. Ende 2022 wurde der Erbschein dann auf den Landesverband ausgestellt. Der neue Landesvorstand ließ ein Gutachten einholen, der Schätzpreis nun: 196 000 Euro. Die Immobilie wurde im Herbst 2023 nach unseren Informationen für 165 000 Euro an einen anderen Interessenten verkauft, die Pflichtteilerben auf dieser Basis ausgezahlt.

Nun aber verklagt der ursprüngliche Kaufanwärter, der sich um seine günstige Wohnung gebracht sah, die AfD Baden-Württemberg auf Schadenersatz. Er will einen Ausgleich für die angeführte Wertsteigerung der Wohnung durch seine Renovierungsarbeiten. Der Gerichtstermin vor einer Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart findet im Mai 2024 statt. Ein Sprecher des Gerichts betätigte die Grundzüge des Rechtsstreits. Der Partei könnte ein hoher finanzieller Schaden drohen.

Co-Sprecher Emil Sänze will keine Stellung beziehen, er verweist auf ein laufendes Verfahren. Etwas ausführlicher reagiert Martin Hess: Man habe bei dem Erbfall nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und sich nichts zu schulden kommen lassen. „Anderslautende Vorwürfe haben keinerlei Substanz und sind auf innerparteiliche Auseinandersetzungen im Hinblick auf den in Kürze stattfindenden außerordentlichen Landesparteitag zurückzuführen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete.

Die Sache liefert in der Tat Munition im parteiinternen Stellungskampf vor dem Rottweiler Parteitag. Im Lager der sieben Landesvorstandsmitglieder, die sich gegen die beiden Landesvorsitzenden positioniert haben, besteht der Verdacht, dass gemauschelt und betrogen, aber zumindest nicht korrekt informiert wurde. In ihrem Visier stehen neben Hess die Co-Vorsitzenden Sänze und Frohnmaier, alle gelten bei ihren Gegnern mehr oder weniger als Erfüllungsgehilfen von Alice Weidel, Co-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Co-Parteivorsitzende. Auf der Gegenseite sieht man eine Destruktionspolitik, um alte Rechnungen zu begleichen. Hinter den sieben Landesvorstandsmitglieder würde als Strippenzieher Dirk Spaniel stehen, heißt es.

Die ganzen Vorwürfe von angeblicher oder tatsächlicher Günstlingswirtschaft, Vorteilsnahme oder Verschleierung haben nun zudem zu einer Strafanzeige bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft geführt. Vom wem sie kommt und gegen wen sie sich richtet, dazu gibt es keine offiziellen Informationen. Der Sprecher der Behörde sagt nur, dass zwar eine Strafanzeige eingegangen sei. Es werde aber erst noch geprüft, ob „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für strafrechtlich relevantes Verhalten bestünden.

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