• Die ehemalige evangelische Kirche St. Kiliani in Mühlhausen/Thüringen dient heute als Theaterwerkstatt. Foto: Lucas Friese/Creative Commons

>>>> Denkmalschutz und Baugesetzbuch. Oft ist der Wert von Kirchenimmobilien schwer zu ermitteln, da sie mit anderen Gebäuden oder Grundstücken nicht verglichen werden können. So sind manche entwidmete Gotteshäuser mindestens für eine Zeit lang zu einer Existenz als „Lost Place“ verdammt.

Breit aufgestellt sind die Protestanten im thüringischen Mühlhausen. Dort stehen gleich vier Kirchen exemplarisch für den Mut zum Neuanfang. St. Kiliani, ein gotisches Gebäude aus dem 13. Jahrhundert, diente erst als Ersatzteillager einer Automobilwerkstatt, wurde dann 2002 von einer Stiftung für Kunst und Kultur gekauft und zur Spielstätte der kreativen „3K-Theaterwerkstatt“ umgebaut. In die doppeltürmige St. Jacobi-Kirche der alten Reichsstadt zog nach dem Umbau 2004 die örtliche Stadtbibliothek ein, in die Antoniuskapelle die Jugendherberge „AntoniQ“, 2006 ausgezeichnet mit dem „Thüringischen Denkmalschutzpreis“. St.Marien, die nach dem Erfurter Dom zweitgrößte evangelische Kirche des Freistaats, wird bereits seit 1975 als Thomas-Münzer-Gedenkstätte betrieben. Nur zu besonderen Anlässen versammelt sich die Kirchengemeinde hier – sie genießt dann „Gastrecht“.

Kreative Ideen auch im Ausland

Ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik verrät, dass auch die Christen in Belgien, den Niederlanden und der Schweiz immer weniger werden, Kirchen stehen zuhauf leer. Die holländischen Bischöfe taten sich lange Zeit schwer, katholische Gotteshäuser für profane Zwecke zu nutzen, denn: „Kirchen sind ein Haus Gottes, dauerhaft geweiht und daher heilige Orte.“ Deshalb wurden die Sakralbauten lieber abgerissen. Inzwischen gibt es immerhin eine starke Präferenz, ehemalige Kirchen wenigstens für die Nutzung als Schule, Bücherei oder Gesundheitszentrum freizugeben. Andere Gotteshäuser in den Niederlanden finden eine neue Bestimmung als Theater in Helmond, Hotel in Maastricht oder als Multifunktionszentrum für Kunst und Kultur, Arbeit und Inspiration in Vught.

Ebenfalls gemischt werden Ex-Kirchen in der Schweiz genutzt, die erst in den 1950er-Jahren erbaute Bullingerkirche in Zürich dient mindestens bis 2032 als provisorischer Sitz des Kantons- und Gemeinderats. Auch in Belgien wurden bereits viele Gotteshäuser umgewidmet, zu einem Sozialkaufhaus in Broekom etwa, einem Kulturerbe-Depot in Bommershoven, einem Besucher- und Tourismuszentrum in Tongeren und zu einem Dienstsitz der Stadtverwaltung und Polizei in Zoersel.

In allen Ländern scheint zu gelten, was Reiner Nagel, der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, über die vielfältige Zukunft der „Kirchen als Orte der Gemeinschaft“ sagt: „Die bauhistorisch ablesbare Umnutzung ist einem Abriss vorzuziehen – nicht nur aus Gründen der Grauen Energie, sondern wegen der Goldenen Energie der baulichen Geschichte.“ Kirchen als erhaltenswertes Zeugnis und Erbe unserer Kultur sowie als multifunktionale Möglichkeitsräume alternativer Begegnungen.

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL