Nicht-Sichtbares sichtbar gemacht

  • Die Wiener Theatergruppe „Die Fremden“ erntete mit ihrem Stück im Alten E-Werk viel Applaus. Die Besucherinnen und Besucher gingen ergriffen nach Hause. Foto: Staufenpress

Theater Die Wiener Theatergruppe „Die Fremden“ brachte ihr aktuelles Stück „S(ch)till here“ so wirkungsvoll auf die Bühne im Alten E-Werk, dass das Publikum hingerissen war.

Dinda Daniar Darussalam sagt: „Jetzt bin ich Sari - sagen wir, ich lebe in einem Land, in dem Krieg und Armut herrschen.“ Sari erklärt ihren Spielfiguren in einer Kiste – großartig lebendig auf der Bühne - die Tatsachen: Vater weg. Mutter da. Blöder Krieg. Weil das Leben kein Spielplatz ist, nimmt ihre Mutter die Spielkiste weg: Geh‘ die Ziegen füttern. Das Mädchen will weg von Not und Angst. Sie schlägt sich durch in ein verheißungsvolles Anderswo. Dort ist sie ohne Namen, ohne Gesicht, ohne Rechte, ohne alles, dafür mit unvorstellbar viel Arbeit. Die Mutter sucht und findet sie. Sari verschwindet erneut – für immer?

Schlicht und fantasievoll

Die Geschichte einer von hundert Millionen „Illegalen“, das Los einer „Arbeitsmigrantin“ wird vom Amateur-Ensemble „Die Fremden“ aus Wien derart unverblümt, derart schlicht und klar und dabei so fantasievoll auf die Bühne gebracht, wie es selten zu erleben ist. Was haben „Die Fremden“ auf der Bühne gemacht? Zehn Menschen, die von irgendwo nach Österreich gekommen sind, um dort eine neue Heimat zu finden, haben im Theater eine Möglichkeit gefunden, ihre Stimme zu erheben. Sie sprechen nicht alle gut Deutsch, also reden sie zwischendurch auch in ihrer Muttersprache. Das klingt nicht nur interessant, es wirkt wahrhaftig. Es gibt keinen auswendig gelernten Text, keine trainierten Gesten – alles wurde in der Gemeinschaft des Ensembles entwickelt. Alle brachten ihre Erlebnisse auf der Reise oder Flucht, ihre Erfahrungen bei der Ankunft im Unbekannten, ihre Ängste, ihre Sehnsucht nach Freiheit und Sicherheit mit ein.

Im Spiel erzählen sie, was niemand im echten Leben wissen will. Garegin Gamazyan beispielsweise war in seinem Herkunftsland Choreograf und Tänzer. Jetzt, im Amateur-Theater, ist sein Können unschätzbar wertvoll: ausdrucksstarke Pantomime, wenn Worte nicht taugen, herrlich komödiantischer Kostümwechsel auf offener Bühne. Das Geschütteltwerden der Spielfiguren in Saris Kiste, bei denen Gamazyan den Roboter ebenso stilsicher gibt wie den selbstverliebten Rezeptionisten im Hotel!

Sari schuftet, ihre Mutter und der Nachbar riskieren viel, um sie zu finden. Die Puppen helfen mit Leibeskräften, Saris Leben zu retten, während sich die Angestellten des Hotels in Egomanie, Ignoranz und Skrupellosigkeit übertreffen. Alle, die da spielen, tanzen und manchmal in zweierlei Sprachen sprechen, kennen, was sie spielen. Das Unsichtbarsein der Figur Sari ist ein Teil ihrer aller Leben. Wenn Schauspielende so wahrhaftig das Unvorstellbare aufzeigen und dabei noch fantastisch komisch sein können, hat das eine wahrlich tiefgreifende Wirkung.

Sagen wir, all die begeistert Applaudierenden geben ihre Ergriffenheit weiter. Sagen wir, dass ein paar Menschen dann nicht mehr wegsehen, nicht mehr weghören, wenn auf Obstplantagen und Baustellen, in Schlachthöfen, Großküchen und Putzkolonnen Menschen in Not und Angst versklavt und ausgebeutet werden. Den „Fremden“ sei gedankt. Ihrer Leistung hinter und auf der Bühne sei höchster Respekt gezollt.

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