Scharfzüngiger Boomer mit Haltung
Kabarett Der vielfach ausgezeichnete Musikkabarettist Lars Reichow gastierte mit seinem Wunschkonzert „Best of Klaviator“ in der Sillerhalle in Hattenhofen.
Hattenhofen ist meine Lieblingsstadt, ich war 750 Jahre nicht hier“, heißt Lars Reichow sein Publikum im „Boomerland“ herzlich willkommen und ergänzt: „Dass mich der Bürgermeister ansagt, ist nicht selbstverständlich.“
Söder, das „perfekte Windspiel“
Nicht selbstverständlich ist auch des Künstlers umfangreiches Portfolio, bei dem er am Schluss Tacheles redet. So regt er sich über den „politischen Schmierlappen Markus Söder“ auf, der für ihn ein „perfektes Windspiel“ sei. Oder über die Grünen, die ihre „Ölheizung weiterlaufen lassen, um den Habeck zu bestrafen“. Natürlich bekommen auch Trump, Putin und Erdogan ihr Fett weg, ebenso wie die Talkshows, die das TV-Publikum mit den „Zukunftsproblemen Wein, Chips und Gummibärchen“ verfolgen. „Wir diskutieren uns zu Tode. Allein schon, was die Experten für eine Energie in die Problemstellung einfließen lassen, da haben sie gar keine Kraft mehr übrig für die Lösung!“
Doch Lars Reichow kann auch nett. Der Brüller schlechthin war sein Abstecher in die Welt der Textnachrichten. „Die WhatsApp-Gruppe wird ins Leben gerufen vom Administrator, dem Admin, das entspricht im echten Leben dem Vorsitzenden eines Kegelvereins.“ Danach fungiert er als Sprachrohr, wie Gruppen namens „Sommerwindparty, Skihasenhaxen, das Leben ist schön, saufen ist geil“ zeigen. „Bin da, Hallo, freu mich, Ja, bin da, Ich auch, Grüße, Supertoll, Bin auch dabei, Bussi von mir, Küsschen, Daumen hoch, Smiley, schönen Tag“. In sämtlichen Stimmnuancen einschließlich passender Mimik und Gestik haut Lars Reichow den Chatverlauf raus – das Publikum lacht sich schlapp. Dazu gibt es über WhatsApp „Streicheleinheiten“ wie „Wünsche einen erfolgreichen Restabend“ – worauf der Kabarettist sich fragt: „Es war nachts um halb elf, was soll folgen, Zähneputzen ohne Abrutschen?“
Weisheiten über WhatsApp
Nach seinem Blick ins Terminmanagement und auf die Hausrecherche folgten Träumer, für ihn „praktisch veranlagte Menschen“, die auf WhatsApp ansatzlos und unerwartet eine Lebensweisheit posten. „Trauer nie dem dessen du dein Leben, im Glück liegt das Pfand der Hoffnung wie Schnee im Backofen und ein Wölkchen vor der Sonne macht Hoffnung auf den nächsten Tag.“ Was soll das? Die Gruppe ist still, wie gelähmt, jemand schickt ein Emoji mit ratlosem Gesichtsausdruck. Es gebe auch Fans, die ein „you made my day“ senden.
Genau genommen ist das digitale Netz nicht so sein Ding. „Gestern ist mein Computer verstorben, ich brauche einen Menschen, der für mich Zeit hat.“ Sein Fazit: „Wir Boomer sind froh, an der Oberfläche kratzen zu dürfen.“
Kleine Passagen gebührten seiner Frau, deren Schwäche es sei, die Marmeladegläser nicht richtig fest zuzumachen. Für ihn als „Steinzeit-Höhlenmensch“, der das Glas aufkriegt, sei das nicht schlimm, in jeder Ehe gebe so Kleinigkeiten: „Die Pantoffeln stehen stets an der falschen Stelle und irgendwann fallen Schüsse. Sie wissen, wie das läuft.“
Ein musikalischer Genuss sind seine am Klavier gespielten und gesungenen Lieder, deren Texte mit sinnvollem Inhalt überzeugen. Mal scharfzüngig und leicht aggressiv, mal bezaubernd und sanft und nicht zuletzt mit einem humorvollen Augenzwinkern. „Manchmal träum‘ ich von einem Deutschland, in dem die Züge pünktlich fahr‘n. Ein Land mit starken schönen Brücken und einem sehr, sehr guten WLan.“ Dann nennt er den Satz, den nahezu jeder schon mit brüchiger Stimme zu hören bekam: „Früher, war alles besser. Tja, und jetzt, jetzt stimmt‘s auf einmal“, sagt Lars Reichow unter viel Beifall. Den gab es auch für einen wahrhaftig wahren Satz: „Wir haben einen Nachteil, wir lieben Probleme“.
Wir haben einen Nachteil, wir lieben Probleme. Lars Reichow Kabarettist