Die Last, ein Versprechen einzuhalten

  • Muss man ein Versprechen in jedem Fall und unter allen Umständen halten? Zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler des Göppinger Theaters Dacapo umkreisen in ihrem neuen Stück ein Gelübde. Staufenpress

Mit dem Drama „Das Gelübde“ von Dominik Busch feierte das Göppinger Dacapo-Theater am Wochenende eine gelungene Premiere. Hintereinander weg im gleichen Schritt, an einengenden Gerüststangen entlang und daran vorbei – so marschieren die Figuren auf die Bühne. Gefangene? Lautlos macht sich eine raumgreifende, bedrückende Irritation breit. Die vermeintlich Gefangenen entpuppen sich als Reisende, die ein Flugzeug besteigen, das sie von Afrika zurück nach Europa fliegen soll. Die Maschine ist voll, so voll wie unten im Alten E-Werk der Zuschauerraum.

Das Göppinger Ensemble hat das Drama „Das Gelübde“ des Schweizer Autors Dominik Busch mit zwölf Schauspielern inszeniert. Unter den Fluggästen befindet sich Tim (Frank Möbius). Fünf Monate lang war er helfender Arzt in den Slums einer Großstadt. Als klar wird, dass die Maschine abstürzen wird, legt Tim ein Gelübde ab: Wenn er den Absturz überlebt, wird er nach Afrika zurückkehren, um den Ärmsten der Armen lebenslang Hilfe zu leisten. Tim überlebt die Notwasserung, sein Gelübde wird zur Last. Tim will es einhalten, ungeachtet der Ängste und Einwände, eingepackt in subjektive Argumente, die in der Folge die Familie, Mutter (Barbara Rummel), Vater (Ralf Döring), Freunde (Regina Gentsch und Sebastian Langenhagen) und seine Lebensgefährtin Sara (Katja John), die ein Kind von ihm erwartet, vorbringen. Kann und muss man ein Gelübde einhalten? Wie wichtig sind die inneren und äußeren Umstände des Zustandekommens? Was gilt ein Versprechen? Welche Rolle spielt die Religion? Überlagert Tims Gelübde frühere Versprechen von Treue, Verantwortung und Rückkehr?

Von Anfang an belegt – besser belastet – Dominik Busch sein Theaterstück mit solch moralischen Fragen. Die Dacapo-Regisseure Margarete Kienzle und Ralf Rummel versuchen plausible, verständliche Antworten zu geben. Geschickt verpackt wird dies in wechselnde Szenengespräche zwischen Tim und den oben Genannten sowie in chorische Beschreibungen, die ein halbes Dutzend kollektiver Erzähler von Geschehnissen und Ängsten abliefern. Wie die Ängste abstürzender Menschen. „Ich kann meine Angst nicht sagen. Aber ich kann sagen, dass ich meine Angst nicht sagen kann.“ Die Dialoge sind knapp und präzise, wodurch Dramatik und Dilemma im Stück hochgehalten bleiben. Hie und da ein Hauch von Ironie. Mehr zum raschen Durchatmen als zur Erheiterung.

Das Bühnenbild ist eine minimalistisch gestaltete multiple Metapher, die Bilder mutieren und variieren. Vom Inneren eines Flugzeuges hin zu den Hindernissen und Slalomstangen eines individuellen Lebenslaufes. Tim ist nicht religiös. Der Besuch einer Votivkirche bringt ihm nach 80 pausenlosen Spielminuten dennoch eine endgültige Erkenntnis und Entscheidung. Jetzt macht sich Entspannung breit.

Der langanhaltende Beifall des Publikums wirkt wie ein Akt der Befreiung. Für 150 Zuschauer und zwölf Schauspieler.

Info Weitere Aufführungen des Stücks „Das Gelübde“ vom Dacapo-Theater gibt es am Freitag, 7. und 28. Juni, jeweils ab 20.30 Uhr im Alten E-Werk in Göppingen. Karten sind auf www.dacapo-theater-goeppingen.de erhältlich.

Bühne Das Göppinger Dacapo-Theater feierte vor 150 Besuchern bei Odeon im Alten E-Werk die Premiere seiner neuen Inszenierung: Dominik Buschs Drama „Das Gelübde“.

Ich kann sagen, dass ich meine Angst nicht sagen kann. Schauspieler im Stück „Das Gelübde“

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