Stundenlange Einsätze in der Tiefe
Ehrenamt Kaum jemand hat die Malteser Höhlenretter aus dem Kreis Göppingen auf dem Schirm. Doch wenn man sie ruft, leisten sie Unglaubliches an Orten, die den Rettern alles abverlangen.
Wie komme ich da bloß jemals nach einem Unfall raus, wenn ich doch vorher schon gesund kaum reingekommen bin? Schnell stellt man sich als Höhlenforscher diese Frage. „Bereits seit circa 1980 gab es in unserer Region Überlegungen, wie man Menschen aus Höhlen retten könnte – Anfang 1986 hat sich dann aus fünf lokalen Höhlenvereinen die Höhlenrettung gegründet“, erinnert sich Dr. Jens Hornung auch an den seinerzeit von den Malteser Göppingen speziell gestalteten Erste-Hilfe-Kurs. „Das war eine überaus fruchtbare Zusammenarbeit, resultierend daraus sind wir schließlich 1988 als Gruppe dem Malteser Hilfsdienst beigetreten, um unsere eh schon professionelle Arbeit mit den Möglichkeiten einer überregionalen und potenten Rettungsorganisation zu vereinen“, verrät der Gründer und Einsatzleiter, der ursprünglich aus Eislingen kommt und im Alter von zwölf Jahren in den Uhinger Höhlenverein eintrat.
So wurde aus der Höhlenrettung Ostalb/Filstal die Malteser Höhlenrettung, die erste Höhlenrettung innerhalb einer Rettungsdienstorganisation in Deutschland. „Unsere Gruppe setzt sich aus ehrenamtlichen Höhlenrettern zusammen, die die unterschiedlichsten Disziplinen abdecken“, erklärt Jens Hornung. Er nennt: „Seil- und Schacht-Rettungs-Techniker, Taucher, Notärzte, Notfallseelsorger, Geologen und nicht zuletzt Sprengberechtigte, die bei der Erweiterung einer Engstelle gekonnt mit professionellen Explosivstoffen arbeiten. Wenn selbst die flexible Trage zu groß ist, helfen nur noch Akkubohrmeißel, Spreizkeile und unsere speziell entwickelte Sprengtechnik. Mittlerweile ist dies sogar – chirurgisch exakt – fast direkt neben dem Patienten möglich.“
Auch wenn Dr. Jens Hornung mittlerweile in Darmstadt lebt und dort am Institut für Angewandte Geowissenschaften arbeitet – werden die Höhlenretter gerufen, übt er noch immer mit Herzblut und Können sein Ehrenamt aus.
Gefährliche Einsätze
Befinden sich Menschen in höchster Not, steht außerdem Fee Gloning zur Stelle. Situationen, die vielen unheimlich wären, betrachtet die Zugführerin als Herausforderung für ein Team von Spezialisten. Dazu gekommen ist die zweifache Mutter aus Lichtenstein bei Reutlingen aufgrund des „komischen Hobbys ihres Mannes – Höhlenforschung“, erzählt sie lachend. „Vom Höhlenverein bin ich herzlich aufgenommen worden, deshalb bin ich hängengeblieben“. Das passt ebenso zu Karen Löhlein, mit 18 Jahren das „Küken“, die durch ihren Vater Blut geleckt hat. „Nach jedem Einsatz folgen kontinuierliche Sichtprüfungen zur Funktion oder Beschädigung unserer Ausrüstung“, betont Materialwart Erwin Löhlein aus Alfdorf und zeigt das Innenleben des 2011 übergebenen Einsatzfahrzeugs, das die Arbeit der Malteser Höhlenrettung, der einzigen in Deutschland, seitdem noch effizienter macht. Modernste Höhlenrettungstechnik und Notfallmedizingeräte, bei der laut Fee Gloning die „circa 400 Kilogramm schwere und zum Teil selbst konzipierte und konstruierte Ausrüstung individuell ausgebaut wurde“.
Die Zugführerin erklärt: „Für den Einsatz im Dunkeln brauchen wir spezielles Material, das man nicht immer ‚von der Stange‘ bekommt. Unter anderem eine eigenentwickelte flexible Trage, die eine an die Höhlenverhältnisse und das Verletzungsmuster angepasste horizontale sowie vertikale Rettung ermöglicht“. Für den Schachteinsatz werden Flaschenzüge und Seilbahnsysteme benötigt, chemische Wärmebeutel, Wärmezelt und Schlafsack stellen die Standardversorgung, um zum Beispiel eine Unterkühlung des Patienten in den Griff zu bekommen. Natürlich gehören auch Materialien zur Wundversorgung, Immobilisation (zum Beispiel für Knochenbrüche), Überwachung der Herz- und Kreislaufaktivität sowie Defibrillation zur Notfallausrüstung, nennt Fee Gloning weiteres lebensrettendes Equipment.
Hierzulande gebe es Höhlen, in denen sich die Malteser Höhlenretter den Schwierigkeiten und Risiken stellen müssen, um Menschen, die sich in Gefahr gebracht oder verirrt haben oder verunglückt sind, zu bergen. Selbst wenn ihr Einsatzgebiet rund 3000 Karsthöhlen in Baden-Württemberg umfasst, sagt Höhlenretter Stefan Allich aus Geislingen: „Was die Größe (Länge und Tiefe) der Höhlen betrifft, ist Deutschland mit etwa 10.000 Stück im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ein Underdog.“ Als jeweilige Ausbildungsleiter geben Michael Eberhardt aus Westerstetten im Alb-Donau-Kreis sowie die Donzdorferin Ami Weber ihr Wissen an die Lernenden weiter: „Je nach Beschaffenheit einer Höhle gestaltet sich eine Rettung komplex und langwierig. Einsatzzeiten von mehreren Stunden oder gar Tagen sind normal und das bei acht Grad kalter Luft, genauso kaltem Untergrund und fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Eine effiziente Wärmeversorgung des Patienten ist lebensrettend.“ Für den Laien schwer vorzustellen: Wo sich zuvor ein gesunder Mensch durchgezwängt hat, muss anschließend die Trage samt Patient durch.
Da in einer Höhle weder Funk noch Handy funktionieren, kommen spezielle Grubentelefone, sogenannte Heulruftelefone zum Einsatz. Die Höhlenrettungen in Deutschland haben sich auf dieses System geeinigt, um auch bei Großeinsätzen bei denen mehrere Höhlenrettungsorganisationen eingesetzt werden, eine funktionierende Kommunikation zu gewährleisten.
Als Landesgliederung der Malteser für ganz Baden-Württemberg zuständig, finanziert sich die Höhlenrettung durch Zuschüsse der Diözese Stuttgart, des Landes und zweckgebunden Spenden – so wie bei der kürzlich stattgefundenen Brückenaktion in Jebenhausen, bei der laut Jens Hornung etwas „ganz Nettes“ passiert sei. „Eine Frau, die sich für unsere Arbeit interessierte, drückte mir mit den Worten ‚das ist für euch, ihr braucht das‘, 50 Euro in die Hand.“
Nach jedem Einsatz folgen kontinuierliche Sichtprüfungen unserer Ausrüstung. Erwin Löhlein Materialwart