Mehr Licht im dunklen Forst
Natur Beim Waldrundgang im Eichert bei Göppingen geht es um Licht für Eichen, Platz für junge Bäume und Kinder. Und es ging einer Buche an den Kragen.
Goethe geht immer. Auch im Wald: „Mehr Licht“, hat der größte aller deutschen Dichter auf dem Sterbebett als Allerletztes gesagt – angeblich. „Mehr Licht“, das könnte auch von den Eichen kommen, denn die brauchen Licht, um wachsen und sich entfalten zu können. Das sagt nicht Goethe, sagt Sven Konzmann. Konzmann ist Revierleiter beim Forstrevier Göppingen, am Samstagmorgen steht er mitten im Eichert-Wald und erzählt den rund 20 Interessierten, die zur „öffentlichen Waldbegehung“ gekommen sind, was die Eiche so sehr mag: Licht.
Das Problem der Eiche ist, dass die anderen beiden „Hauptbäume“ im Eichert – die Buche und die Linde – der Eiche das Licht über kurz oder lang nehmen. Damit die Eiche im Eichert weiter wächst, helfen die Forstleute manchmal ein bisschen nach. Eichen werden – nicht immer, aber an bestimmten Stellen – „freigestellt“, die zu nah kommende Konkurrenz also abgeholzt.
Dann könne sich die Eiche auch natürlich vermehren, sagt Konzmann, so wie früher: Eicheln fallen vom Baum, keimen, und dann wächst daraus eine kleine, junge Eiche. Das geht auch im Eichert so, dem die Eiche sogar seinen Namen gegeben hat. Aber: wenn das Licht nicht reicht, dann ist die junge Eiche nach zwei oder drei Jahren tot, sagt Forstamtsleiter Thomas Maier. Maier und Konzmann sind ziemlich zuhause im Eichert-Wald. Auch wenn der Stadtwald mit 90 Hektar gar nicht so klein ist, kennen sie praktisch jede Ecke im Forst zwischen Klinik, Jebenhausen und freiem Feld.
Schutz für ältere Bäume
In einer dieser Ecken mitten im Wald stehen sie und erklären das mit den Eichen und mit dem Licht. Die Ecke ist eine „Habitatbaumgruppe“. Dort werden ältere Bäume geschützt, hier eine ältere Eiche, deren Krone weit droben irgendwann von der Buchenkrone nebenan zuwachsen würde. Dann rücken ihr die Kollegen von Konzmann und Maier mit der Kettensäge auf die Pelle. Überall im Wald gibt es „Habitatbaumgruppen“, es soll so eine Art Netzwerk entstehen.
Schön und hochgeschätzt sind Eichen und die anderen Bäume nicht nur bei bester Gesundheit. Auch alte, mitunter sterbende oder gar tote Bäume schätzen die Forstexperten. Nicht nur die, vor allem die Waldbewohner. Vögel und Insekten hausen in Hülle und Fülle in alten Bäumen, „es gibt nichts Wertvolleres als solche Stümpfe“, sagt Maier und zeigt auf eine riesige Buche, an deren Seite ein richtig dicker Ast abgebrochen ist. Die sieht nicht mehr so stattlich aus, ist aber ein hochgeschätztes „Hochhaus“ mitten im Wald. „Höchst wertvoll, monetär lässt sich das gar nicht fassen“, sagt Maier.
Einen kleinen, besonders aufgeräumten Teil im Wald gibt es auch. Es ist der „Lernwald“, eine Art Klassenzimmer mit Baum und Blättern. Hier liegt auf 3000 Quadratmetern nicht viel rum, die Äste an den meist jungen Bäumen sind gesund, nichts soll abbrechen und den Kindern auf den Kopf fallen. Das Aufräumen ist ein Muss, sagt Konzmann, „aus versicherungsrechtlichen Gründen“. Trotzdem finden es einige Besucher reichlich übertrieben, und auch Konzmann sagt: „Als Kind habe ich überall im Wald gespielt.“ Wie auch immer, zumindest gibt es ein grünes Klassenzimmer im Stadtwald, in denen Maier, Konzmann und andere Experten den Kindern den Wald näher bringen.
Gefährlich kann es trotzdem werden. Am Waldrand, direkt am asphaltierten Weg zur Klinik. Dort stand bis zum Samstagmorgen eine stattliche Buche. Forstwirt Jürgen Kehrer hat mit seinen beiden Kollegen alles vorbereitet, die Buche ist angeseilt, damit sie in die richtige Richtung fällt – in den Wald und nicht auf den Weg. Die Krone ist trocken, die Rinde unten morsch, der Buche nicht mehr standsicher. Dann heult die Kettensäge, die Späne fliegen. Kurze Ruhe, dann kippt der Baum erst langsam, dann rasend schnell, donnert durch die Äste und knallt auf den bebenden Waldboden. Die Buche ist weg, jetzt gilt wieder Goethe: „Mehr Licht.“
Totholz und Baumstümpfe sind höchst wertvoll, monetär lässt sich das gar nicht fassen. Thomas Maier Forstamtsleiter