Deutsches Abi in Malaysia gebaut

  • Mit dem Reifezeugnis zurück aus Kuala Lumpur: Lisa Straub hat sich jetzt mit ihrer Lehrerin Kathrin Reichert, die sie ermuntert hat, und HoGy-Schulleiter John Ahlskog getroffen. Sabine Ackermann

Bildung Vor zwei Jahren tauschte Lisa Straub aus Bad Boll das HoGy gegen die Deutsche Schule in Kuala Lumpur: Nun ist sie zurück und hat ihren Abschluss in der Tasche.

Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, als sich Lisa Straub kurz vor ihrer Abreise nach Malaysia an gleicher Stelle mit ihrem Schulleiter John Ahlskog fotografieren ließ. Jetzt, bei ihrer Rückkehr mit Abitur ist auch ihre vorherige Klassenlehrerin und Ideengeberin beim Treffen im HoGy dabei. „Vorgeschlagen habe ich Lisa aufgrund ihrer Zuverlässigkeit, ihrem Engagement als Schülersprecherin und offenem Ohr für Mitschüler und Lehrer“, verrät Katrin Reichert. „Bei Bildung geht es um den gleichen Zugang der Talentförderung in allen Bereichen, da ist es gut, wenn man außerhalb der Schule Dinge bewegen kann“, nennt John Ahlskog einen weiteren wichtigen Aspekt.

Rein optisch hat sich die heute 18-Jährige aus Bad Boll nicht verändert – was indes beim Erzählen sofort auffällt: Sie ist deutlich selbstbewusster und reifer geworden. Nicht nur. Rund 13 300 Kilometer (Luftlinie 9900) vom Hohenstaufen-Gymnasium Göppingen entfernt, hat sie auf der „Deutschen Schule in Kuala Lumpur“ ihr Abitur mit der Note 1,4 bestanden. Es ist eine der ersten Auslandsschulen, die seit 2009 Deutsche Internationale Abiturprüfungen durchführen – Lisa Straub hat in der 1,81-Millionen-Metropole ihre Klassenstufen elf und zwölf beendet. Die zwischen 160 und 180 Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zur Oberstufe stammen aus verschiedenen Ländern, gesprochen wird die Amtssprache Bahasa (malaysisch), die Unterrichtssprache ist Deutsch sowie Englisch.

München, Dubai, Malaysia: Die damals Sechzehnjährige flog mitten in der Hochphase von Corona, was neben den PCR-Tests auch das Ausfüllen vieler Formulare nach sich zog. Ihr Visum kam auf den letzten Drücker und bei ihrer Ankunft in Kuala Lumpur wurde sie von Menschen in weißen Schutzanzügen abgeholt. „Darauf folgten zwei Wochen strenge Quarantäne“, erinnert sich Straub an die Zeit, als sie Online-Unterricht bekam und ihre Freizeit nahezu ausschließlich im Netz verbrachte. Kaum weg von ihrer schwäbischen Kurort-Idylle und dann direkt nach ihrer Ankunft in einem unbekannten Land tagelang allein in einem Zimmer zu sein, „sei anfangs eine schwierige Zeit gewesen“, so die Abiturientin. Sie schiebt scherzhaft nach: „So blieb wenigstens der Kulturschock aus.“

Ein Abstecher in den Regenwald

In der Schule, die einem Internat ähnelt, ging es gleich in die Mädchen-WG, die sie sich mit drei weiteren Gastschülerinnen und einer malaysischen Chaperone (Betreuerin, Aufsichtsperson) teilte. „Wir hatten aber jede unser eigenes Zimmer und genügend Zeit, die Stadt zu erkunden sowie durch Malaysia und sogar nach Bali, Indonesien, den Philippinen und Vietnam zu reisen“, erzählt Lisa Straub. Ein absolutes Muss war ein Abstecher in den naheliegenden tropischen Regenwald, dessen Vielfalt sie bei grellen Geräuschen und noch höherer Luftfeuchtigkeit auf Wanderwegen entdecken konnte.

Die vom Staat angeordnete schulische Auslandsuniform betreffe nur die Oberteile, bestehend aus Hemd, Bluse oder Pulli in Blau. Der Rock muss eine Handbreit überm Knie sein. Aufgrund von Corona gab es anfangs keinen Sport, ansonsten galt Maskenpflicht und in der Pause musste man im klimatisierten Klassenzimmer bleiben. Weit voraus sei das Land, was die Digitalisierung angeht, so sorgt die Schule von der ersten bis zur zehnten Klasse für Tablets, ab der elften muss man sein eigenes Gerät mitbringen. Die Anzahl der Unterrichtsstunden, Fächer und der Inhalt des Lernstoffs sei bis auf den Umstand, dass Latein fehle, nicht viel anders als im HoGy, erzählt die Austauschschülerin, die im Leistungskurs zwischen Französisch oder Chemie wählen konnte. „Den Grundstein für meine Liebe zur Naturwissenschaft hat mein Chemie- und Biolehrer gelegt, mein Wunsch ist es, Molekularbiologie zu studieren.“ Sie bewarb sich im Juni an den Universitäten Tübingen, Ulm, Göttingen und Regensburg – bisher erfolglos.

Eltern kommen zum Abi-Ball

Mit ihren Eltern stand sie wöchentlich via WhatsApp oder Skype in Kontakt, ihre Familie kam sogar zum Abi-Ball. „Auf die Frage, was sie außer Freunden und Familie am meisten vermisst habe, antwortet Lisa Straub: „Bei täglich um die 30 Grad tatsächlich Kälte und Schnee, aber auch Oma Helgas Essen.“ Die Sorge ihres Vaters, ein muslimisches Land zu besuchen, war letztendlich unbegründet. Als sehr „freundlich und hilfsbereit“ beschreibt sie die Menschen in Malaysia, zudem treffe man in Kuala Lumpur auch auf viele unterschiedliche Kulturen und Ethnien. Der Anteil an Muslime werde immer geringer, so die Bollerin, die jede Menge über Land und Leute lernte.

Ihre Eindrücke vor Ort: Laut, viele, teils achtspurige Straßen, Häuser nicht so schallisoliert, aber meistens mit Klimaanlage, zahlreiche große Malls, darunter auch bekanntes wie H & M, Ikea und Media-Markt. Rufe man in den Moscheen zum Gebet auf, tragen die Frauen ihr Kopftuch nur dort und auch die Polizei sei in der Stadt nicht so präsent, wie man vielleicht bei den harten Strafen zum Alkohol- oder Drogenbesitz vermutet, berichtet Straub. Ihr Fazit: „Aus meinen letzten beiden Schuljahren in Malaysia bin ich sehr gestärkt hervorgegangen.“

Wir hatten jede unser eigenes Zimmer und Zeit, die Stadt zu erkunden sowie zu reisen. Lisa Straub Absolventin der Schule in Kuala Lumpur

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