Das war ’ne knappe Kiste

  • Die Fragestunde des Sulzer Gemeinderats nutzten am Montagabend die meisten Bürgerinnen und Bürger in der Stadthalle, um flammende Plädoyers gegen das regionale Gewerbegebiet zu halten. Foto: Marcella Danner

Gemeinderat Mit elf Stimmen sprach sich das Gremium am Montag gegen das regionale Gewerbegebiet aus. Zehn, inklusive Bürgermeister, stimmten dafür.

Fast 30 Jahre lang gärte das Projekt regionales Gewerbegebiet in Sulz. Seit Montagabend ist ein Knopf dran: Der Gemeinderat sprach sich denkbar knapp, aber mehrheitlich gegen die Fortführung der Planungen aus. Rats-Neuling Felix Haible (CDU) – gerade erst ins Amt verpflichtet – enthielt sich. Eine Stimme fehlte: FWV-Stadträtin Kathrin Stocker war nicht in der Sitzung.

Zuvor gab es in der Bürgerfragestunde in der Stadthalle im Backsteinbau erneut emotional vorgetragene, flammende Plädoyers gegen die Umnutzung der Mühlbachebene. Einige Stadträtinnen und Stadträte, aber auch Ortsvorsteher nutzten die Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen. Die Meinungen innerhalb der Fraktionen waren geteilt. Lediglich die zwei Mann starke Gruppierung der AfD stimmte geschlossen dagegen.

„Der Gemeinderat beschließt, die Planungen für das regionale Gewerbegebiet fortzusetzen und in die Stufe 2 des Treuhandvertrags einzutreten.“ So lautete der Beschlussvorschlag der Verwaltung. Faktisch ging es bei der Abstimmung aber darum, ob der Sulzer Gemeinderat das Projekt „Best Invest A81“ will, oder eben nicht. So stand es auch in der Beratungsvorlage.

Über die persönliche Meinung der Fraktionsvorsitzenden hat die SÜDWEST PRESSE bereits in ihrer Montagsausgabe berichtet. In der Sitzung sprach der neue CDU-Fraktionsvorsitzende Siegfried Dölker – ein Befürworter des Gewerbegebiets – noch vom „letzten Anker“, den die Kommune werfen könne, um auch für die Zukunft Arbeitsplätze zu sichern. Denn angesichts des Strukturwandels sei ihm angst und bange. Der Fraktionschef der Freien Wählervereinigung (FWV) Jürgen Huber zählte Zukunftstechnologien auf, die sich in so einem regionalen Gewerbegebiet ansiedeln könnten. Er reagierte damit unter anderem auf die Fragen aus den Zuhörerreihen, wie er seine Befürwortung vor seinen Kindern und Enkeln rechtfertigen wolle. „Wir dürfen uns nicht wundern, wenn unsere Enkel und Kinder zukünftig weiterführende Schulen in den umliegenden Städten besuchen müssen“, wenn wirtschaftliches Wachstum, welches das Fortbestehen der hiesigen Infrastruktur sichere, verhindert werde. Für Huber wäre „Best Invest A81“ eine Chance gewesen, damit der Stadt Sulz wieder jene überregionale Bedeutung zukomme, wie einst, als die Buntweberei, Möbel-Wössner und die Steeb-Werke zu den Firmen im Südwesten gehörten, die sich einen Namen gemacht hatten.

Für Barbara Klaussner (CDU) und Johanna Schrön-Dinkelaker (GAL) hingegen gab es noch zu viele ungeklärte Fragen bezüglich des Treuhandvertrags. Klaussner sagte, bei einer Fortführung der Planungen „entstehen enorme Kosten, die nicht mehr zu rechtfertigen sind.“ Und Schrön-Dinkelaker rief ihre Ratskollegen dazu auf: „Lehnen Sie diesen Vorschlag ab, ein schon gestorbenes Projekt wiederzubeleben.“

Manfred Stocker (SPD) empfand „das Prozedere der letzten Wochen befremdlich“ und spielte damit auf den Versuch der Verwaltung an, ein Bürgerforum zum Thema auf den Weg zu bringen. Jedoch wolle er nicht aus Zweifel am Prozedere ein sinnvolles Projekt ablehnen. Entscheidungen, die die ganze Stadt beträfen, müssen auch gesamtstädtisch getroffen werden, so Stocker. Selbst wenn Ortschaftsräte der direkt ans Gewerbegebiet angrenzenden Dörfer sich dagegen aussprächen. Auch Umlegung von Fläche – einige Landwirte wollen nicht verkaufen – müsse manchmal sein, um zukunftsgerichtete Projekte umsetzen zu können.

Stadtrat Armin Hipp (CDU), der sich als Ortsvorsteher von Holzhausen mitsamt seines Gremiums eindeutig gegen das regionale Gewerbegebiet positioniert hatte, war froh, dass nun eine Entscheidung getroffen wird, die hoffentlich von allen akzeptiert werde, „und wieder Normalität einkehrt.“

Anger: sechs Ortsvorsteher für das regionale Gewerbegebiet

Der Glatter Ortsvorsteher Axel Anger ist zwar kein Stadtrat, nutzte jedoch sein Rederecht in der Sitzung. Er dozierte über die Meinungsfreiheit und den mangelnden Respekt gegenüber jenen, die eine andere Meinung vertreten. „Ich erlaube mir die Frage, ob eine lautstarke Minderheit eine schweigende Mehrheit dominiert.“ Der Glatter Ortschaftsrat habe sich zudem einstimmig für das regionale Gewerbegebiet ausgesprochen, ebenso wie insgesamt sechs Ortsvorsteher. Denn die finanzielle Situation der Kommune sei bedenklich. Es fehle an Perspektiven für junge Menschen, „sie wandern ab.“

Bürgermeister Jens Keucher und der Erste Angeordnete Hans-Peter Fauser machten nicht viele Worte. Keucher: „Es ist ja eigentlich alles gesagt, alle Argumente sind ausgetauscht.“ Der Bürgermeister, der als klarer Befürworter im regionalen Gewerbegebiets eine große Chance für die Gesamtstadt Sulz sieht, hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, er könne auch mit einer ablehnenden Entscheidung leben. Hauptsache, es werde endlich eine getroffen.

Die Abstimmung blieb spannend bis zum Schuss. Jürgen Huber hatte eine kurze Unterbrechung der Sitzung beantragt. Gut zehn Minuten später stand dann fest: Das regionale Gewerbegebiet ist „gestorben“.

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