Wer zu spät kommt...
Es war kein leichtes Erbe, das Bürgermeister Jens Keucher da mit dem regionalen Gewerbegebiet aufgebürdet worden ist. Als er seine Stelle in Sulz antrat, nahm er sich vor, innerhalb seiner ersten beiden Amtsjahre einen Knopf dranzumachen. Da hat er fast eine Punktlandung hingelegt. Auch, wenn er sich den Ausgang der Abstimmung sicherlich anders gewünscht hätte.
Mit einem Bürgerforum wollte die Verwaltungsspitze kurz vor Schluss dann doch noch die Sulzerinnen und Sulzer in die Entscheidung einbinden. Ein Bürgerentscheid war bereits vor Keuchers Amtszeit verpasst worden. Der Schuss ging allerdings nach hinten los. Und der letzte Strohhalm knickte um, als sich selbst das Stadtoberhaupt gegen dieses Mittel der Bürgerbeteiligung aussprach.
Nach der Niederlage in Sachen Windkraft ist das nun der zweite Misserfolg, den der Bürgermeister verkraften muss. Er tat dies am Montag in der Stadthalle mit einem Lächeln – fast schon erleichtert, dass das Thema jetzt vom Tisch ist.
Dabei ging es, wie vorausgesagt, sehr knapp zu. Im Vorfeld der Abstimmung wagte sich mit dem Glatter Ortsvorsteher Axel Anger einer aus der Deckung, denn man vielleicht gerne früher gehört hätte. Sechs Ortsvorsteher, so sagte er, sprächen sich fürs regionale Gewerbegebiet aus. Hat da tatsächlich die laute Minderheit die schweigende Mehrheit dominiert, wie Anger es formulierte? Vielleicht. Doch Zeit, sich öffentlich zu positionieren und Befürworter zu Wort kommen zu lassen, war nun wirklich genug. Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.
Eine fast schon kafkaeske Vorstellung gab derweil der AfD-Stadtrat Udo Schubert. Hatte er auf die Frage der SÜDWEST PRESSE nach seiner persönlichen Meinung noch differenziert geantwortet (wir berichteten), so verstieg er sich am Montag in krude Aussagen. Sprach davon, dass die Bundeswehr inzwischen in der Ukraine sei und von einem Gesinnungsstaat, „in dem wir sowieso nicht zu entscheiden haben“. Das Schlimme daran: Aus den Zuhörerreihen gab es tatsächlich – und zwar mehr als vereinzelt – Beifall für derlei Behauptungen, die jeder Grundlage entbehren.
Aber US-Präsident Donald Trump macht’s ja erfolgreich vor: Einfach mal etwas in den Raum werfen, irgendwann wird es schon bei den Menschen verfangen. Dabei strafte sich Stadtrat Schubert wenig später selbst Lügen. Denn mit seiner Gegenstimme hat er sehr wohl zur Entscheidung beigetragen, dass das regionale Gewerbegebiet nicht kommt. Hier, vor Ort, im Sulzer Gremium. Ganz unbefangen.