Wenn in Metern gerechnet wird
Serie 75 Jahre Vinyl: Mit Alexander Staudenmaier alias „DJ Alex S.“ beenden wir unsere kleine Serie. Der Hechinger besitzt rund 9000 Schallplatten. Eine Sammlung durch die musikalische Zeitgeschichte.
Ein dreiviertel Jahrhundert gibt es die meist in schwarz gepressten Platten – entweder als Single mit einer A- und B-Seite oder aber als Langspielplatte (LP) mit zum Teil aufwendigen, fantasievollen Covern. Die Älteren können sich dabei sicherlich an die Zeiten erinnern, in der in vielen Kneipen eine Jukebox (zu Deutsch: Musikbox) stand, in der man eine Münze hineinwarf, den gewünschten Song eintippte, ein Plattenkarussell sich zu drehen begann und dann ein Greifarm die ausgewählte Scheibe auf den Plattenteiler legte.
Bis noch in die 1980er-Jahren war sie präsent, ehe sie dann von Kompaktkassetten und damit dem Walkman, gefolgt von CD-Playern, abgelöst wurde. Heute ist die Musikbox als restauriertes, für teuer erworbenes Geld als Möbelstück in Privathaushalten zu finden oder sie kann für besondere Anlässe auch gemietet werden. Den 1970 in Tübingen geborenen und in Hechingen wohnenden Alexander Staudenmaier hat die Zeit der Jukebox nur noch am Rande gestreift, nicht aber sein Bezug zu den Vinylplatten.
DJ und IT-ler
Alexander Staudenmaier ist Diplom-Ingenieur (FH) für technische Informatik, seine Frau Eva-Maria hat den Master in angewandter Informatik. Zusammen haben sie eine IT-Firma gegründet, die sie von zu Hause aus im Kohlbrunnenweg betreiben. Eva-Marias Arbeitsplatz befindet sich im Untergeschoss ihres Hauses. Es ist ein ganz Besonderer, denn wo sonst üblicherweise Tapeten, Bilder, Kalender, Schränke oder Anrichten ein Zimmer schmücken, stechen ringsum Regale ins Auge, die vom Boden bis zur Decke auf fünf Ebenen gefüllt mit Vinyl-Langspielplatten gefüllt sind.
Auf die Frage, wie viele das wohl sein mögen, antwortet Alexander Staudenmaier, „bei so vielen Platten wird nicht mehr in Stücken gerechnet, sondern in Metern“. Und das seien bei ihm so rund 30 Meter. Und doch will er dann aber selber wissen, wie viele Platten er so ungefähr in den Regalen aufbewahrt. Mit einem Maßband misst er einen Meter, zählt die Platten in diesem Abschnitt und rechnet hoch. Das Ergebnis: „Es sind rund 9000 LPs“. Hochgerechnet sind das also um die 120.000 Titel.
Elvis, Depeche Mode, Beatles
Alexander Staudenmaier holt wahllos einige LPs aus den Regalen. Da ist Elvis dabei, die Fantastischen Vier, Trio, Depeche Mode, die Beatles-Alben rot (1962-1966) und blau (1967-1970) – und zwar als Edition-Ausgabe nicht in Schwarz, sondern in Rot beziehungsweise Blau eingefärbt. Weitere Beispiele gefällig? Aber gerne doch: Bronski Beat oder „Am Fenster“ der DDR-Kultband „City“, also sämtliche Stilrichtungen der 50er- bis in die 2000er-Jahre, Partysounds, Black, Soul, Rhythm and Blues (R’n’B), Rock und House. Apropos Bronski Beat: „Das war die Maxi-Vinyl-Platte ‚Smalltown Boy‘ von 1984, die ich mir in Nagold als erste Platte gekauft hatte“, erinnert sich Alexander Staudenmaier. Von seiner Mutter hatte er einen Dual-Schallplattenspieler geschenkt bekommen, was den Anfang seiner Sammlerleidenschaft markierte.
Mit 17 erstmals DJ
In Tübingen sei dann irgendwann mal im Café „Nass“ der DJ ausgefallen, erinnert er sich. „Ich war damals 17 Jahre, und irgendwie hat sich mein Name herumgesprochen – das war der Start in die DJ-Karriere“, erzählt er. Fortan sei er unterwegs gewesen, jeweils an Wochenenden, und zwar im Schwarzwald, in Oberschwaben, am Bodensee, in Bayern, Österreich und in der Schweiz. Aufgelegt hat er vor einem Publikum, angefangen von 50 bis hin zu 5000 Leuten. „Ich habe dreimal in Folge in Zürich bei der Street Parade vom Wagen aus aufgelegt“, erzählt er. Die Veranstaltung sei mit der Love Parade in Berlin zu vergleichen.
Aber zurück zu seiner Sammlung: Wie ist er zu eigentlich zu so einem riesigen Berg an Platten gekommen? Natürlich hat er die nicht alle selbst gekauft, sondern: „Ich bin zusammen mit rund 500 Discjockeys in Deutschland in einen Bemusterungs-Pool, dem sogenannten DJ&Club Promotion-Poole gekommen“. Das bedeutet: Die DJs in diesem Pool erhalten von den Plattenfirmen immer die neusten Platten, die auf den Markt kommen – sozusagen als Werbung.
„Der Postbote, der mir damals die unzähligen Pakete mit Schallplatten geliefert hatte, erinnert sich noch heute sehr gut daran“, erzählt er. Inzwischen 54 Jahre alt, ist „DJ Alex S.“ nicht mehr im ganz großen Stil unterwegs, sondern legt eher auf Hochzeiten, Firmenevents oder von Ü30- bis zu 2000er-Partys auf. Und das inzwischen gemeinsam mit seiner Frau Eva-Maria.
Heute sind es USB-Sticks
Die Leidenschaft sei nach wie vor noch vorhanden, betont er. Allerdings legen er und seine Frau die guten alten Vinylplatten heute nicht mehr auf, sondern nutzen, wie man das heute so macht, USB-Sticks, auf denen die Musik gespeichert ist.
Und zu Hause, wird da schon mal die eine oder andere Platte aus dem Regal gezogen und angehört? „Ich habe auf dem Speicher noch mehrere Plattenspieler deponiert, aber die weider herunterholen und in guten alten Zeiten schwelgen, das mache ich nicht mehr“, erklärt Alexander Staudenmaier. Seine meterlange Schallplattensammlung im tiefen Keller hält er dennoch weiterhin in Ehren.
Bei so vielen Platten wird nicht mehr gezählt. Alexander Staudenmaier alias DJ Alex S.