Von Alltagsszenen bis zu politischer Kritik
Ausstellung Im Crailsheimer Stadtmuseum sind Bilder tansanischer Künstlerinnen und Künstler zu sehen. Die Schau will auch mit alten Sichtweisen, Vorurteilen und Klischees aufräumen.
Djembeklänge des Trommelhauses Hall empfingen die mehr als 100 Besucherinnen und Besucher der Vernissage von „Weltkunst aus Tansania – Mehr als Tingatinga!“ am Freitagabend in der Spitalkapelle des Crailsheimer Stadtmuseums. Charlotte Rehbach vom Arbeitskreis Tansania im evangelischen Kirchenbezirk Crailsheim-Blaufelden begrüßte mit „Karibu!“, einem Willkommen auf Suaheli, die Vernissagegäste. Im Februar dieses Jahres sei leider die Vorsitzende und Begründerin des Arbeitskreises Tansania, Pfarrerin Barbara Kniest, gestorben. Auch sie hätte sich über die vielen Besucherinnen und Besucher gefreut.
Erste Station Crailsheim
Rehbach erinnerte sich daran, auf Kunst im Cultural Heritage Centre in Arusha im Norden von Tansania gestoßen zu sein. Außerdem merkte sie an, dass derzeit auch in Berlin die Ausstellung „Geschichte(n) Tansanias“ im Humboldt-Forum laufe. Da gehe es allerdings um Raubkunst aus der deutschen Kolonialzeit. Dagegen steht die aktuelle Kunst Tansanias im Mittelpunkt der Wanderausstellung, die Kurator Fritz Gleiß ihr angeboten hatte. Nach Rückfrage bei Friederike Lindner, der Leiterin des Stadtmuseums, stand fest, dass Crailsheim der erste Ausstellungsort wird. Lindner verriet, dass sie schon das Betrachten des Katalogs mit den Exponaten sehr spannend fand: „Beim Betrachten des Originals wird das Ganze nun zu einem Aha-Erlebnis.“
Gleiß gab dem Vernissage-Publikum eine kleine Einführung in die 50 ausgestellten Bilder, aber ebenso in die Kunstgeschichte Tansanias. „Naive Kunst gilt als einfach, fantasievoll, unbekümmert. In Tansania taucht die Begrifflichkeit erstmals vor 50 Jahren auf, Anfang der 1970er-Jahre, als Edward Tingatingas plakativ bemalte Quadratbilder weltbekannt wurden. Seitdem ist Kunst aus Tansania fast durchgängig und untrennbar mit diesem Begriff – naiv – assoziiert. Die Dekolonisierung der Wahrnehmung hinkt hier bis heute ganz erheblich hinterher.“
Der Politologe Gleiß schob noch ein Zitat von Julius Nyerere, Tansanias „Vater der Nation“, hinterher: „Unter all den Verbrechen des Kolonialismus gab es kein schlimmeres als die Versuche, uns glauben zu machen, wir besäßen keine eigene Kultur.“ Ein Problem sei bis heute das romantische Bild von Touristen von afrikanischer Kunst. Für sie sei es einfach Tingatinga, wie die naive Malerei nach dem Maler benannt wurde. Im Grunde sei dieses Bild von afrikanischer Kunst nichts anderes als rassistisch.
Gleiß‘ Anliegen ist, dagegen zu arbeiten und bekannt zu machen, wer die zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler sind, und wie deren Werke aussehen. Mit vier Künstlerinnen und 19 Künstlern liefert die Ausstellung einen Querschnitt zeitgenössischer tansanischer Bildkunst. Skulpturen sind keine vertreten.
Darunter befinden sich auch Werke der drei Künstler, die auf der diesjährigen Biennale in Venedig vertreten waren: Happy Robert, Lute Mwakisopile und Haji Chilonga. Von Letzterem sind zwei Acrylbilder zu sehen, die ins Aquarellhafte verschwimmen. Bei Mwakisopile schwingt noch ein bisschen Tingatinga nach, aber die Thematik sind mehr Alltagsszenen wie Verkäufer am Bus oder ein Schneider. Von der Künstlerin Robert sind zwei in diesem Jahr entstandene Frauenporträts zu sehen, die auch ein Spiel mit den Farben sind.
Spannungsreiches Spiel
Fast ins Dreidimensionale reicht Undare Mtakis „Pango la Kombolela“, ein spannungsreiches Spiel zwischen Geometrie, auch wieder Farbe und Natur. Spiel mit Licht und Schatten sind Sarah Al-Baitys Fotografien. Kubistisch muten Masoud Kibwanas Collagen mit Stoff und Acryl auf Segeltuch an. Nimrod Hanais Bilder schwanken zwischen Konkretem und Abstraktem, auch Vita Malulus „Hug the World“, dem mit „Burundi“ und „The Coffin“ zwei politische Kritikbilder gegenüberstehen.
Die Wanderausstellung „Weltkunst aus Tansania – Mehr als Tingatinga!“ ist im Crailsheimer Stadtmuseum noch bis zum 6. Januar zu sehen. Das Stadtmuseum ist mittwochs von 9 bis 19 Uhr, samstags von 14 bis 18 Uhr und sonn- wie feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.