Das Rohstofflager vor der Haustür

  • Neben den beiden Grünen-Politikerinnen Catherine Kern und Jutta Niemann informierten die Geschäftsführer Matthias Götz, Christian Schneider und Christof Schneider auch die Gammesfelder Ortsvorsteherin Sabrina Kaufmann und ihren Stellvertreter Martin Dill sowie Blaufeldens Bürgermeister Michael Dieterich über die geplante Upcycling-Anlage für gemischte Baustoffrestmassen (von rechts). Foto: Birgit Trinkle

Unternehmen Die Firma Schneider&Sohn in Gammesfeld investiert in eine Upcycling-Anlage, die Bauschutt so verarbeitet, dass daraus neuer Beton entsteht. Die Deponien sind ernsthafte Konkurrenz. 

Etwa zehn Millionen Euro werden investiert, sechs neue Vollzeitstellen entstehen, doch nicht aus diesem Grund haben Jutta Niemann und Catherine Kern, beide für die Grünen im baden-württembergischen Landtag, dieser Tage den Nachmittag für einen Besuch bei der Firma Schneider&Sohn reserviert. Die viel bemühten Begriffe Leuchtturmprojekt und Zukunftsvorhaben sind beim Vorhaben, in Gammesfeld „einen unendlichen Kreislauf der Baustoffe“ zu schaffen, tatsächlich angebracht.

Vom Hochbau in den Hochbau

Bauschutt wird schon jetzt wiederverwendet. Beton beispielsweise wird recycelt, fließt in den Unterbau von Straßen oder dient der Auffüllung; alte Tonziegel kommen beim Bau von Tennisplätzen oder zur Dachbegrünung erneut zum Einsatz. In einem kompletten Upcycling-Kreislauf produziert die geplante, vollautomatisierte Anlage nun aber aus Bauschutt Material, das für die Herstellung von sogenanntem R-Beton genutzt wird. So kommen Rohstoffe aus dem Hochbau direkt wieder im Hochbau zum Einsatz.

Überzeugungsarbeit steht an

Wenn Geschäftsführer Christian Schneider vor einem alten Haus steht, das dem Erdboden gleichgemacht werden soll, sieht er von Berufs wegen und seit Jahrzehnten ein Rohstofflager. Immer mehr setzt sich dieser Blick durch. Pressesprecherin Barbara Rott verweist auf „Ressourcen und Recycling“ als Leitthemen der weltweit führenden Messe der Bauwirtschaft im April in München: Die Baubranche verbrauche so viele Ressourcen und produziere so viel Abfall wie kein anderer Industriesektor. Klimawandel, Materialengpässe und Ressourcenknappheit verstärkten den Druck – es sei an der Zeit für ein Umdenken. Die Zeit, so gibt das Unternehmen bekannt, sei mehr als reif für Kreislaufwirtschaft auf höherer Ebene in der Baustoffbranche.

Das Gammesfelder Unternehmen ist in vierter Generation inhabergeführt; die fünfte Generation bittet inständig darum, auf den Knien der Mitarbeiter im Bagger sitzen zu dürfen. Diese nächsten Generationen hat man im Blick – mit Blick auf Klimaziele und Ressourcenschonung, aber auch im Bemühen, frühzeitig zu erkennen, wie sich die Baubranche entwickeln wird.

„Dem Upcycling mineralischer Baustoffe gehört die Zukunft“, so Matthias Götz, neben Christof Schneider und Sohn Christian dritter Geschäftsführer des Unternehmens. Er spricht auch vom „Urban Mining“, vom Schatz, der auf der Straße liegt und gehoben werden will. In diese Überzeugung wird kräftig investiert. Pro Jahr sollen rund 80 000 Tonnen Zuschlagstoffe produziert werden, die insbesondere in der R-Beton-Herstellung verwendet werden. Pro Jahr ließen sich damit 889 000 Tonnen Kohlendioxid einsparen, so Götz. Auch das ein Faktor, der die Besucherinnen aufhorchen ließ.

Möglich wurde diese Revolution in der Baubranche durch neue Normen für Beton. Im Innenbereich können 30 Prozent, für die Außenhülle immerhin noch zehn Prozent Anteile aufbereitetes Material zum Einsatz kommen – das im Übrigen immer zertifiziert ist und der Gewährleistung unterliegt. Dass Schneider&Sohn seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Recycling gesammelt haben, war ein weiteres Argument für diese Investition, ebenso die Erkenntnisse aus einem intensiven Austausch mit Experten des ifeu, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg.

Konkurrenz: Deponien

Dass es nicht immer einfach sein wird, Beton-Hersteller, Bauunternehmer und Bauherren vom R-Beton zu überzeugen, ist zu erwarten, ebenso aber auch, dass öffentliche Gebäude oder prestigeträchtige Bauten wie die Mercedes Faktory 56 in Sindelfingen dem noch unvertrauten Baustoff den Weg ebnen, auch die Förderprogramme, die das Land Baden-Württemberg auflegt, sind hilfreich.

Viel mehr Sorgen bereitet den drei Geschäftsführern der Blick auf die Wiedereröffnung der Bauschutt-Deponie in Kupferzell-Beltersrot. Solche Deponien stehen grundsätzlich in Konkurrenz zum Upcyclen, vor allem aber, so heißt es, würden damit die völlig falschen Signale gesendet. Verfüllung statt Verwertung entziehe dem Projekt von Schneider&Sohn einen Großteil der Materialströme, die das Unternehmen für einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlage benötige. Die Firma wünscht sich daher „ein klares Bekenntnis aus der Politik“, um ihre Vision realisieren zu können. Dafür wird nun geworben. Auch andere Abgeordnete haben sich angekündigt, um mehr über dieses Vorhaben zu erfahren, dessen Baubeginn für 2024 angedacht ist.

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