Intensive kriminelle Karriere endet
Justiz Drei Jahre Haft für eine lange Liste von Diebstählen aus Autos in der Umgebung einer Crailsheimer Asylunterkunft. Der Täter bestritt aus diesen Straftaten seinen Lebensunterhalt.
Ab dem Frühjahr 2024 ereignete sich in Crailsheim eine langandauernde Serie von vielen Diebstählen aus abgestellten Autos. Die Besonderheit war, dass keine Aufbruchsspuren festgestellt werden konnten, die Fahrzeuge standen scheinbar unverschlossen vor den Türen ihrer Besitzer. Es waren so viele Taten, dass die Polizei mit einem Infostand auf dem Wochenmarkt die Bevölkerung über diese Taten informierte und sensibilisierte. Ende August 2024 war die Rede von „mindestens 30 Taten in den letzten vier Wochen“.
Am 16. Oktober stand mit Rachid Z. ein Algerier vor dem Schöffengericht, dem man 29 Straftaten vorwirft: versuchte und vollendete Diebstähle aus Autos, teilweise gewerbsmäßig oder mit Waffen – ein Pfefferspray – sowie diverse Widerstandshandlungen und Beleidigungen im Polizeigewahrsam zählt Staatsanwältin Felgenhauer akribisch auf. Verfahren wegen drei weiterer Straftaten, so teilt die Staatsanwaltschaft Ellwangen auf Nachfrage mit, seien vorläufig eingestellt worden, da diese im Vergleich mit den angeklagten Taten „nicht beträchtlich ins Gewicht“ gefallen seien.
Z. hat sein Heimatland wegen fehlender finanzieller Perspektive verlassen, schlug sich in Spanien und Frankreich mit Schwarzarbeit und Kleinkriminalität durch, bevor er – wann das war, kann er sich nicht erinnern – nach Deutschland kam, wo er einen Asylantrag stellte. Dieser Antrag ist abgelehnt, Z. wurde aufgefordert, das Land zu verlassen. Eine Abschiebeankündigung erreichte ihn in der Untersuchungshaft. Vier rechtskräftige Verurteilungen stehen im Zentralregister, das letzte Urteil erging erst wenige Tage vor seiner Festnahme in Crailsheim. Eine Bewährungsstrafe wurde bereits widerrufen.
„Drogen haben mich verwirrt“
Z. gesteht die Taten ein, doch er kann sich an vieles nicht erinnern, vor allem nicht an Zeitabläufe. „Die Drogen haben mich verwirrt“, gibt der Übersetzer wieder. Er berichtet, dass er „bei einem Freund“ in Crailsheim untergeschlüpft war, der in einer Asylunterkunft wohnte. Der Freund konnte nicht gehört werden: Er ist selbst zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Bei den Behörden hat sich Z. nach seinem Asylantrag nicht mehr gemeldet. Einkünfte will er keine erzielt haben: „Schwarzarbeit ist in Deutschland viel schwerer als in Frankreich“, ist seine Erfahrung. Er dürfte seinen Lebensunterhalt mit Kriminalität bestritten haben, jedoch ist die Beute aus seinen Diebeszügen – mehrmals hat er gleich mehrere Autos in einer Nacht geöffnet – gering: Die Beute eines Diebstahls belief sich auf einen Euro und eine Dose Cola. Ein andermal befand sich im Auto ein Rucksack und ein Geldbeutel mit insgesamt 440 Euro, Kreditkarten und Ausweispapieren. Auch auf Fahrräder und E-Roller hatte er es abgesehen: Diese stellte er über Nacht am Bahnhof ab, um sie am Folgetag per Zug nach Heilbronn, Mannheim oder Heidelberg zu bringen und sie dort zu verkaufen. Entsprechende Ansprechpartner waren ihm offenbar bekannt. Deutsch spricht er nicht, doch Tricks, um im Zug nicht kontrolliert zu werden, kann er beschreiben. Aus den Verkaufserlösen habe er Alkohol und Drogen beschafft. Allein sein Drogen- und Tablettenkonsum kostete ihn nach eigenen Angaben rund 50 Euro täglich. Dagegen belief sich der von den Geschädigten geltend gemachte Schaden aus den angeklagten Taten im Zeitraum von November 24 bis zu seiner Inhaftierung am 29. April 25, alle im nahen Umkreis der Asylunterkunft, nur auf 2008 Euro. Der Verkaufserlös dürfte noch weit darunter gelegen haben.
Autos waren unverschlossen
Dass die Autos unverschlossen waren, bestätigt ein Polizeibeamter – er stellt in den Raum, dass Schlüsselsysteme, die in Funkreichweite aufbewahrt wurden, die Autos automatisch geöffnet haben könnten. Sein Kollege beschreibt einige der Widerstandshandlungen im Gewahrsam: Z. soll in stark angetrunkenem und aggressivem Zustand die Überwachungskamera in der Zelle mit seiner Unterhose verhängt haben – danach sei es zu einem Gerangel mit vier Beamten gekommen. Z. stellt die Situation anders dar, spricht von menschenunwürdiger Behandlung und rassistischen Bemerkungen eines Beamten. Einige Taten können Z. durch Videos von Überwachungskameras nachgewiesen werden, auf denen er als Täter identifiziert werden kann.
Fehlende Perspektive in Europa
Mit „sehr straffem Zusammenziehen“ fordert die Staatsanwältin eine Haftstrafe von drei Jahren, Verteidiger Robin Schmid bleibt mit seiner Forderung ein halbes Jahr darunter. Das Gericht, bestehend aus Richterin Keck und zwei Schöffen, folgt dem Antrag der Staatsanwältin und verhängt eine Haftstrafe von drei Jahren. Gegen den Angeklagten spreche die „hohe Schlagzahl“, die Wiederholungsgefahr, die völlig fehlende Perspektive in Europa sowie eine „Bedenkenlosigkeit. Eine Betroffenheit über die Fehlentwicklung der eigenen Person“ sei nicht erkennbar. Es ist davon auszugehen, dass Z. noch während seiner Haft aus Deutschland ausgewiesen und in sein Heimatland verbracht wird.
Ob die Tatserie damit vollständig aufgeklärt ist, ist jedoch fraglich: Für die Taten aus dem Frühjahr und Sommer 2024 kommt der verurteilte Algerier wohl nicht infrage. Es dürfte also für die ursprüngliche Serie einen oder mehrere weitere Täter geben.
Schwarzarbeit ist in Deutschland viel schwerer als in Frankreich. Rachid Z. Angeklagter