„Jeder Kunde sucht seinen Vorteil“

  • Benno Rieger steht seit 2014 an der Spitze des Familienunternehmens. Giacinto Carlucci

Möbel Rieger Die Konkurrenz im Möbelhandel ist hart, die Kundenansprüche haben sich verändert. Benno Rieger verrät, wie das 75 Jahre alte Familienunternehmen dem begegnet.

Benno Rieger ist ein nahbarer Chef, einer, der über sich selbst lachen kann. „Stolz bin ich darauf, dass ich unsere Firma menschlich und wirtschaftlich gut durch die Coronazeit gebracht habe“, sagt der gebürtige Heidenheimer (verheiratet, zwei erwachsene Kinder) im Interview. Er sei auch stolz, Teil des Teams zu sein. Mit fünf großen Möbelhäusern im Südwesten und seiner Küchen-Arena in vier Städten richtet das Unternehmen, das bundesweit zu den Top 20 der Branche gehört, große Teile Baden-Württembergs ein. Ein Gespräch über Möbel-Moden, veränderte Ansprüche der Kunden und Privates.

Mal ehrlich, Herr Rieger, sind Sie am Feierabend der Sofa- oder der Sessel-Typ?

Benno Rieger: Ich sitze abends meist im Sessel oder am Schreibtisch in meinem kleinen, aber eher schmucklosen Herrenzimmer, weil ich meistens etwas anderes im Fernsehen anschaue als meine Frau. Meine Frau sitzt im schönen, großen Wohnzimmer, wir haben die Türen auf, wir rufen – also wir mögen uns auch. Aber ich gucke halt lieber Fußball, vor allem wenn der VfB spielt, und surfe durchs Internet, weil mich politische und wirtschaftliche Themen interessieren – und alles rund um den VfB. Meine Frau schaut lieber „Tatort“ oder Ähnliches.

Wer entscheidet bei Ihnen privat, was in puncto Möbel und Einrichtung ins Haus kommt?

Das machen wir gemeinsam. Wir sind uns nicht immer einig, kaufen aber gar nicht so viele Möbel.

Warum das?

Das liegt bei uns Möbelhändlern in der Natur der Sache. Wir können uns nie entscheiden und sagen: Wir warten die nächste Messe ab. Wir sind mit relativ wenig Möbeln eingerichtet, aber das sind ein paar schöne Stücke, die man einige Jahre sehen kann.

Wie hat sich der Möbelkauf von Verbrauchern verändert?

Als junger Mann, mein Vater war damals noch in Amt und Würden – hat man sehr oft von Möbeln fürs Leben gesprochen. Das ist heute kaum noch so.

Woran liegt das?

Das Sortiment ist wesentlich vielfältiger geworden. Ob italienische Lacke, schönes Massivholz, auch vielfältige Hölzer – früher hat man nur von Eiche gesprochen. Möbel sind etwas schlanker und feiner, aber auch farbiger und modischer geworden.

Was hat das für Folgen?

Mode bedeutet, dass das Sortiment öfter gewechselt wird. Die Leute kaufen öfter was ein – nicht, weil das Sofa kaputt ist, sondern weil man sich gerne mal wieder etwas Neues leisten will. Die Preislagen sind insgesamt gesunken. Sonst könnten die Verbraucher das auch nicht machen. Sie achten mehr auf Stil und weniger auf Haltbarkeit.

Corona war eine Zäsur. Haben Sie das Umsatzniveau von vor dieser Zeit erreicht?

Nein, niemand in der Branche ist wieder auf dieses Niveau gekommen. Nach Corona war ja nicht wieder alles eitel Sonnenschein. Dann kamen die nächsten Krisen, Lieferkettenprobleme durch den Ukrainekrieg, Materialmangel. Dazu kommt, dass sich die Konsumlust nicht mehr erholt hat. Die Sparquote ist riesengroß. Geld wäre da, aber die Verbraucher sind vorsichtig.

Wie läuft das aktuelle Jahr?

Sie erleben mich sehr gut gelaunt. In der Geschäftsführung haben wir Mitte 2024 entschieden, uns zum 75-jährigen Jubiläum eine ‚Firmenkonjunktur‘ zu schaffen, in dem wir stark in Werbung investieren. Aktuell sind wir bei einem Umsatzplus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr, während die Branche bei null Prozent liegt.

Und es steht eine wichtige Zeit an.

Genau, für den Möbelhandel ist die dunkle Jahreszeit wichtig, also auch die Monate Januar, Februar und März. Im Januar machen wir etwa dreimal so viel Umsatz wie im Juni. Und natürlich spielt das Wetter eine große Rolle. Ich gehöre wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, die sich freuen, wenn sie morgens aufwachen und es regnet. Denn dann haben wir mehr Kunden in unseren Häusern. Wenn die Temperaturen zu heiß sind, können sie werben so viel sie wollen und darauf hinweisen, dass unsere Möbelhäuser klimatisiert sind. Da kommt trotzdem kaum jemand.

Der Wettbewerb um die Kunden ist hart, vor allem mit Rabatten. Sind die real oder eher „Scheinrabatte“?

Wir leben in einer Zeit, in der jeder auf der Suche nach einem Vorteil ist, unabhängig vom Einkommen oder Status. Rabatte gehören mittlerweile einfach dazu – das ist branchenübergreifend so. Jeder möchte einen Vorteil haben, das haben auch Umfragen bestätigt. Die Höhe der Rabatte ist teilweise natürlich grenzwertig. 80 Prozent glaubt zwar niemand wirklich, aber der Eindruck, einen Vorteil zu bekommen, ist wichtig für die Kunden. Wir haben es selbst einmal versucht, komplett ohne Rabatte zu arbeiten – das hat nicht funktioniert, die Kunden sind ausgeblieben.

Wie wichtig ist das Küchengeschäft für Möbelhändler?

Bei uns ist die Küche mit Abstand die wichtigste Warengruppe – sie macht mehr als 30 Prozent unseres Umsatzes aus. Für Großflächenanbieter sollten Küchen einen Umsatzanteil von 20 bis 25 Prozent haben. Die zweitwichtigste Warengruppe sind Polstermöbel mit etwa 20 Prozent.

Wie muss ein modernes Einrichtungshaus heute aufgestellt sein, um für die Zukunft gerüstet zu sein?

Das ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Wir dürfen uns der Digitalisierung nicht verschließen. Fast alle Möbel werden heute per Computer geplant, in der Küchenabteilung bieten wir zum Beispiel Virtual-Reality-Brillen an, damit Kunden ihre zukünftige Küche begehen können, bevor sie gefertigt wird. Ein Onlineshop ist ebenfalls unerlässlich, auch wenn er nur einen kleinen Teil des Umsatzes ausmacht – er dient vor allem als Schaufenster für neue Produkte und Trends.

Wie versuchen Sie zudem, Kunden zu binden?

Events und besondere Aktionen sind sehr wichtig, um Kunden ins Haus zu holen. Die Menschen möchten in unsicheren Zeiten Abwechslung und Unterhaltung, sie wollen schöne Erlebnisse. In Heilbronn machen wir einmal im Monat donnerstags einen After-Work-Event in der Gastronomie. Da kommen fast 1.000 Leute.

Wie sehen Sie die Zukunft des Möbelhandels?

Die Konzentration wird weitergehen. Es wird weniger Anbieter geben, die Großen werden immer mächtiger werden. Viele Mittelständler werden da nicht mehr mithalten können. Da geht es um wirtschaftliche Themen wie Kostenvorteile im Einkauf durch die Größe des Unternehmens.

Wie sehen Sie die Perspektiven Ihres Unternehmens?

Ich glaube an das Modell des „Regionalfürsten“. Wer eine starke, regionale Marke ist, bleibt erfolgreich. Natürlich müssen Sie bei wichtigen Entwicklungen dabei sein, alle Kommunikationskanäle nutzen, ob Ihnen nun Tiktok und Instagram gefallen oder nicht.

Was motiviert Sie jeden Tag?

Ich komme wegen meiner Leute sehr gerne zur Arbeit – auch in schwierigen Zeiten. Ich habe hier ein tolles Team um mich herum, drei Geschäftsführer, die für mich wie Freunde sind. Auch das Marketing-Team ist großartig. Diese Atmosphäre macht mir große Freude.

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