Elf Kämpfer müsst ihr sein
DFB-Team Einsatz und Wille pur: Die Nagelsmann-Elf hat die Basics wieder verinnerlicht. Das WM-Ticket ist zum Greifen nahe.
Dieses Spiel war nichts für schwache Nerven. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft musste sich strecken für den so wichtigen Sieg in der WM-Qualifikation in Nordirland. Sie musste kämpfen, grätschen, dagegenhalten, viel einstecken. Nein, geschenkt bekam die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Montag nichts in Belfast. Am Ende aber hatte sich der immense körperliche Aufwand gelohnt. Die deutsche Mannschaft fuhr drei Zähler ein. Hauptsache gewonnen, nur das zählte an diesem Abend. „Die drei Punkte sind heute wichtiger als die Ästhetik. Heute galt einfach mal, dreckig zu gewinnen“, sagte Nagelsmann nach dem Abpfiff bei RTL.
Baumann hält stark
Zwei Jahre hatten die Nordiren zu Hause nicht mehr gewonnen. Dann kam Nick Woltemade in der 31. Spielminute und traf zum 1:0. Es sollte das entscheidende Tor sein. Und es war typisch für diese Partie, dass es nach einer Standardsituation, einem Eckball, fiel. Aus dem Spiel heraus tat sich die DFB-Auswahl schwer gegen bissig und bisweilen an der Grenze des Erlaubten agierende Gastgeber, die angefeuert vom eigenen Publikum ein hohes Tempo gingen. Dass Woltemade die Kugel mit der Schulter ins Tor lenkte, passte zum Auftritt der Deutschen. Schön war er nicht, aber effektiv. Hauptsache gewonnen eben. Die deutsche Elf rackerte und ackerte, sie ließ sich nicht den Schneid abkaufen. Offensiv ging recht wenig, sieht man mal von der Großchance ab, die sich Karim Adeyemi gleich zu Beginn der zweiten Hälfte bot. Der schnelle Dortmunder lief alleine auf den nordirischen Kasten zu und schoss den Ball aber an diesem vorbei. Das hätte das 2:0 sein können, wenn nicht gar müssen. So jedoch blieb es eng, spannend und sehr umkämpft.
Die Nordiren sorgen mit einfachen Mitteln – lange Bälle, Freistöße, Ecken – für Druck. Die DFB-Abwehr mit ihren starken Innenverteidigern Nico Schlotterbeck und Jonathan Tah wackelte, fiel aber nicht. Auch, weil sie sich auf ihren Torwart verlassen konnte. Kam einmal etwas durch, war Oliver Baumann da. Er hielt, was zu halten war. Der Hoffenheimer behielt im Hexenkessel Windsor Park einen kühlen Kopf und zeigte, warum er für den Bundestrainer die Nummer eins ist, solange Stammkeeper Marc-André ter Stegen verletzt fehlt.
Joshua Kimmich fand klare Worte, der Bayern-Star war nach dem Abpfiff noch voll im Kampfmodus. „Es war ein einziger Kampf. Es ging nur ums Ergebnis“, der Kapitän, der erneut hinten rechts in der Viererkette spielte und seinen Job dort mehr als nur ordentlich erledigte. Die Erleichterung war den deutschen Spielern anzusehen. Nach einer Sechs-Punkte-Woche mit zwei Zu-null-Siegen – am vergangenen Freitag gab es ein 4:0 in Sinsheim gegen Luxemburg – sieht in Gruppe A alles wieder gut aus. Der missratene Qualistart im September, als die DFB-Auswahl überraschend mit 0:2 in der Slowakei verlor, ist fast vergessen.
„Wir haben unsere Ausgangslage komplett geändert. Wir haben alles in der eigenen Hand“, befand Kimmich. Die DFB-Auswahl behauptete mit neun Zählern Platz eins vor der punktgleichen Slowakei, gegen die es im letzten Spiel am 17. November in Leipzig drei Tage nach der Pflichtaufgabe beim Tabellenschlusslicht Luxemburg ums direkte WM-Ticket gehen wird. Die Rechnung ist einfach: Zwei Siege und das Ding ist durch, Deutschland bei der WM in Kanada, Mexiko und den USA dabei.
„Big Nick“ schlägt zu
Den Grundstein dafür haben die Deutschen in Belfast gelegt. Dank des ersten A-Länderspiel-Treffers von Nick Woltemade. Der frühere Stuttgarter, der seit zwei Monaten für Newcastle United spielt, war happy. „Es fühlt sich gut an, ein Tor für die Nationalmannschaft. Sehr schön, weil die letzten Spiele vielleicht nicht ganz so einfach waren für mich hier“, sagte der 23-jährige Angreifer.
Dass sein Premierentreffer nicht sonderlich elegant aussah, war dem 1,98 Meter großen Woltemade schnuppe. „Schlussendlich ist es egal, wie er reinfliegt. Hauptsache, er ist drin“, sagte der gebürtige Bremer, den sie auf der Insel „Big Nick“ nennen. Der Bundestrainer freute sich für seinen Stürmer. Woltemade sei sehr fleißig gewesen, habe auch defensiv toll mitgearbeitet. „Und dann ist es manchmal so, dass der Fußball-Gott dich belohnt und einem der Ball auf die Schulter fällt und du dein erstes Tor machst“, sagte Nagelsmann. Er war zufrieden. Nicht nur mit Nick Woltemade.
Wir haben die Ausgangslage komplett geändert und haben es in der eigenen Hand. Joshua Kimmich DFB-Kapitän