Die „Königin“ bekommt eine Verjüngungskur

  • Die Orgelempore in St. Michael liegt voll mit Pfeifen und anderen Orgel-Bauteilen. Foto: Musik an St. Michael

Kirchenmusik Die große Walcker-Orgel in St. Michael in Hall wird saniert. Bis Weihnachten soll sie teilweise spielbar sein, die Arbeiten dauern bis Ostern.

Abstauben – was daheim im Bücherregal lästig genug ist, wird bei der Walcker-Orgel in der Schwäbisch Haller Hauptkirche St. Michael zu einer Mammutaufgabe. Bis zu sieben Orgelbauer sind damit sechs Monate lang beschäftigt. Denn sie müssen aus der „Königin der Instrumente“, wie die Orgel oft genannt wird, knapp 5000 Pfeifen ausbauen, reinigen, überprüfen, eventuell Schäden reparieren. Dazu kommt die komplette Konstruktion der Orgel, die gepflegt werden muss. Zum Beispiel die Kanäle für die Luft, jede Menge Verbindungsteile in einem riesigen mechanischen Getriebe, und sogar die Elektronik wird unter die Lupe genommen. Seit dem Michaelistag laufen die Arbeiten, also seit 29. September, und sie werden noch bis Ostern nächsten Jahres andauern. An Weihnachten sollen aber Teile des Instruments bereits wieder spielbar sein.

Sanierung alle 20 Jahre

Aber weshalb muss eine Orgel überhaupt abgestaubt werden? „Etwa alle 20 Jahre ist eine sogenannte Ausreinigung notwendig, und in St. Michael war die letzte im Jahr 2003“, erklärt Bezirkskantor Philipp Neuberger. Sogar in einer kleinen Orgelpfeife, die er als Anschauungsmaterial in Schulklassen mitnimmt, findet der Orgelbaumeister Philipp Neßling, dessen Firma Rensch aus Lauffen am Neckar mit der Ausreinigung der Orgel beauftragt ist, einen ganzen Klumpen Staub. Oder ist es ein Insektennest? Wenn diese Pfeife verwendet würde, wäre der Luftstrom in ihr deutlich behindert, und das würde man hören. „Das reicht von ‚klingt nicht gut‘ bis ‚geht gar nicht mehr‘.“ Bei den großen Pfeifen kommt das leider auch vor.

In einer Kirche mit viel Publikumsverkehr wie der Michaelskirche sei die Staubeintragung höher als in einem Raum, in dem sich wenige Menschen aufhalten. Und es geht bei weitem nicht nur ums Putzen. Es gibt in einer Orgel auch viele Teile, die sich abnutzen, besonders, wenn das Instrument so häufig bespielt wird wie in St. Michael.

Als nun die Orgel auseinandergebaut wurde, zeigten sich beispielsweise handtellergroße Löcher in Lederstücken, die Teile der Windkanäle miteinander verbinden. Philipp Neuberger berichtet, dass er bisher, wenn er Orgelunterricht gab und neben dem Instrument stand, einiges an Zugluft aushalten musste, weil die Windkanäle undicht waren.

„Früher hat ein solches Stück Rinds- oder Schafsleder 200 Jahre lang gehalten, heute geht es oft schon nach 40 Jahren kaputt“, sagt Philipp Neßling. Und wenn man es an einer Stelle flicke, breche es an einer anderen auf. Als Grund dafür sieht er die Züchtung der Haustierrassen an: „Die Tiere wachsen heute einfach viel schneller. Es hat noch niemand ein Rind speziell für den Orgelbau gezüchtet“, fügt er scherzhaft an. Aber Kunststoffe halten noch weniger lang, ist Neßling überzeugt.

Eine ganz andere Baustelle ist die Elektronik der Orgel. Sie erlaubt, bis zu 5000 Register-Kombinationen zu speichern und während des Spiels abzurufen. Dafür ist im Instrument ein Computer verbaut. Auch der ist nun schon 22 Jahre alt – aber er soll trotzdem bleiben, denn er funktioniert noch.

Ersetzt werden allerdings knapp 80 Schleifenzugmotoren, über die die Orgelregister geöffnet oder geschlossen werden. „Die waren schon nicht mehr modern, als sie eingebaut wurden“, sagt Neßling. Und Kantor Philipp Neuberger berichtet, dass manche nur noch mit Quietschen funktionierten. Wenn so ein Motor ausfällt, kann man ein Register nicht mehr ziehen. Aber noch viel schlimmer wäre, wenn man ein Register nicht mehr ausschalten kann. Die Motoren werden nun gegen Elektromagnete ausgetauscht. Damit kann man auch Energie sparen.

Eine so umfangreiche Orgelsanierung ist natürlich teuer: Etwa 220.000 Euro wird sie kosten. Dieses Geld muss die Kirchengemeinde alleine aufbringen, es gibt keine Fördermittel vom Land oder von der Landeskirche. Der Förderverein Mittelalterliche Kirchen in Schwäbisch Hall hat zwar einen Zuschuss zugesagt, aber etwa 120.000 Euro fehlen noch zur Finanzierung. Deshalb bittet die Kirchengemeinde um Spenden. „Kleine und große Beiträge sind uns willkommen“, betont Dekan Christof Messerschmidt.

Info Wer die Orgelsanierung finanziell unterstützen möchte, wird um Überweisung auf das Konto der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall, IBAN DE22 6225 0030 0005 0000 74, bei der Sparkasse Schwäbisch Hall gebeten (BIC SOLADES1SHA). Dabei kann man das Stichwort „Spende Orgel St. Michael“ angeben.

Es hat noch niemand ein Rind speziell für den Orgelbau gezüchtet. Philipp Neßling Orgelbaumeister

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