Angeklagte waren schuldfähig
Justiz Der in Oberrot getötete ukrainische Lkw-Fahrer ist infolge von Tritten an seinem eigenen Blut erstickt, sagt ein Rechtsmediziner im Prozess vor dem Landgericht Heilbronn.
Die Beweisaufnahme im Prozess um den Tod des ukrainischen Lkw-Fahrers in Oberrot nähert sich dem Ende. Richter Dr. Martin Liebisch erteilt den rechtlichen Hinweis, dass neben dem angeklagten gemeinschaftlichen Totschlag auch ein allein begangener Totschlag oder eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs oder einer das Leben gefährdenden Behandlung im Raum stehen könne. Damit sei keinerlei Vorentscheidung getroffen: Die Kammer wird aber auch diese Straftatbestände in ihrer Beratung prüfen. Ereignet hat sich die Tat am Samstag, 9. November 2024, auf einem Firmenpark- platz.
Schreckliche Bilder
Danach wird es schwer erträglich. Rechtsmediziner Prof. Dr. Sebastian Kunz vom rechtsmedizinischen Institut Ulm erstattet sein Gutachten und untermauert seinen Vortrag mit Bildern der Obduktion. Sie sind so eindrucksvoll, dass der Angeklagte T. derart erschüttert ist, dass der Prozess für einige Minuten unterbrochen werden muss. Sein Vortrag verliert sich nicht in medizinischen Fachausdrücken, Kunz formuliert allgemeinverständlich. Er kommt zu dem Schluss, dass das Opfer wegen einer blutgefüllten Luftröhre an einem „respiratorischen Versagen“ gestorben ist. Er ist also an seinem eigenen Blut erstickt. Das Blut kam aus dem Mund- und Halsbereich: „Der Kehlkopf war völlig frakturiert, also gebrochen“ – eine Verletzung, die man, laut Kunz, mit einem Tritt erzeugen kann, nicht aber durch einen Griff oder ein Würgen. Weitere vier Tritte kann Kunz am Kopf eindeutig nachweisen. Das Muster der Arbeitsschuhe wird deutlich sichtbar, als er auf einem Bild den Kopf und das Profil überlagert. Die Angeklagten besaßen beide ein Paar Schuhe derselben Marke mit diesem Profil: Kunz kann nicht entscheiden, mit welchem der Schuhe zugetreten wurde. Ein anderer Gegenstand oder ein Sturz auf den Kopf – danach fragt der Verteidiger des Angeklagten K. – könne laut Spurenbild als Ursache ausgeschlossen werden. Weiterhin kommt Kurz zu dem Schluss, dass der Ukrainer zum Todeszeitpunkt nicht bei vollem Bewusstsein gewesen sein kann, sonst hätte er das Blut herauswürgen oder -husten können. Auch aus der Tatsache, dass kaum Spuren einer Bewegung nachweisbar sind, schließt er, dass beim Treten ein Zustand der Regungslosigkeit vorgelegen haben muss.
Die psychiatrischen Sachverständigengutachten trägt Dr. Matthias Michel vor. Er ist ärztlicher Leiter des Klinikums Weissenhof in Weinsberg. Er hat zu beurteilen, ob die Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat in ihrer Einsichts- und Schuldfähigkeit eingeschränkt waren. Gründe dafür können psychische Erkrankungen oder der Einfluss von Drogen sein.
Keine Störungen entdeckt
Michel ist sich bei beiden Angeklagten sicher, dass keine psychischen Krankheiten oder Störungen vorliegen, die die Schuldfähigkeit ausschließen oder einschränken würden. Er hat beide Angeklagte exploriert, konnte ihre Krankenakten einsehen und hat sie auch während der Hauptverhandlung beobachtet. Die Frage ist, ob die Alkoholisierung der Angeklagten ihre Schuldfähigkeit einschränkt. Beide waren, laut Gutachten, zum Tatzeitpunkt alkoholisiert, das Alkoholgutachten sieht bei beiden eine Spanne zwischen über 1 und rund 2,5 Promille.
Viel Alkohol im Spiel
Das widerspricht den Angaben der Angeklagten über ihr Trinkverhalten. Doch auch die Zeugenaussagen sind nicht klar: Unterschiedliche Zeugen sprechen von „keine Ausfallerscheinungen“ bis hin zu „stark alkoholisiert“. Es gibt kein einheitliches Bild. Michel ist der Überzeugung, dass beide Angeklagten nicht so stark betrunken waren, dass ihre Einsichts- und Schuldfähigkeit eingeschränkt war. Jörg Meyer, der Verteidiger von T., ist sich da nicht sicher. Er insistiert: „Ist es keine Ausfallerscheinung, dass mein Mandant den Atemalkoholtest nicht durchführen konnte?“ „Dafür kann es viele Gründe geben“, meint Michel.
Im Falle einer Verurteilung wird es also keine verkürzten Strafen wegen eingeschränkter oder fehlender Schuldfähigkeit geben. Auch die Voraussetzungen für eine Einweisung in eine forensische Psychiatrie sind laut Gutachter nicht gegeben. Der Prozess wird fortgesetzt.
Der Kehlkopf war völlig frakturiert, also gebrochen. Prof. Dr. Sebastian Kunz Rechtsmediziner