Zwölf Minuten zur Nahversorgung
Mobilität Eine deutschlandweite Studie zeigt: Schwäbisch Hall und Crailsheim gehören zu den 15-Minuten-Städten. Für Menschen in Kreßberg, Bühlerzell, Frankenhardt und Braunsbach sind die Wege weit.
Große Städte und Metropolen wie Wien oder Paris haben es sich bereits zum Ziel gesetzt: Wichtige Orte des täglichen Bedarfs sollen innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein. Die Idee hinter der sogenannten 15-Minuten-Stadt: Wer zum Arzt, zum Supermarkt, zum Bäcker, zur Arbeit oder zum Fitnessstudio nur diese kurze Zeitspanne benötigt, der lässt sein Auto stehen – oder er schafft sich erst gar keines an, da es im Alltag überflüssig wird.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat nun in einer groß angelegten Studie untersucht, ob und wo genau dieses Konzept in Deutschland bereits Realität ist.
In etwa so groß wie Paris
Das Ergebnis für den Landkreis Schwäbisch Hall: Die beiden großen Kreisstädte Schwäbisch Hall (12 Minuten) und Crailsheim (12,7 Minuten) bleiben sogar bequem unter der zeitlichen Messlatte, Gaildorf als drittgrößte Kommune im Kreis reißt die Hürde (15,4 Minuten) nur ganz knapp. Damit gehören Hall und Crailsheim zu rund 2100 Städten und Gemeinden, die dieses Ziel erreichen.
Im Bereich Nord-Württemberg ist das durchaus eine Besonderheit. Denn hier schaffen es sonst nur noch Öhringen (Hohenlohekreis), Assamstadt und Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis) unter die 15-Minuten-Marke – nicht aber Künzelsau, Bad Mergentheim oder Ellwangen.
Schwieriger in Dorfgemeinden
Gleichwohl muss die Studie im Detail betrachtet werden. Denn gerade nach den Kommunalreformen in den 70er-Jahren haben auch Kleinstädte teilweise gewaltige räumliche Ausdehnungen. Die Städte Schwäbisch Hall (104,2 Quadratkilometer) und Crailsheim (109,1) sind hinsichtlich ihres Stadtgebietes beispielsweise in etwa ähnlich so groß wie Paris (105,4). Die Landeshauptstadt Stuttgart (6,5 Minuten zu den wichtigsten Zielen) wiederum ist mit 207,4 Quadratkilometern nur in etwa doppelt so groß wie die Provinzmetropolen im Hällischen und Hohenlohischen.
Schwieriger ist es schon in den Dorfgemeinden, wichtige Ziele innerhalb von 15 Minuten ohne Auto zu erreichen. In Kreßberg dauert’s statistisch gewichtet über eine Dreiviertelstunde, in Stimpfach, Braunsbach, Frankenhardt und Bühlerzell fast 40 Minuten.
Gutsituierte ziehen raus
Etwas differenzierter, aber auch komplizierter ist der 15-Minuten-Stadt-Index, den die Forscher zusätzlich berechnet haben. Hier sind benötigte Zeiten für Alltagswege (Senioren brauchen länger als Jugendliche) und der besondere Bedarf (Rentner brauchen eher eine Apotheke, junge Familien Schulen und Kindergärten) mit berücksichtigt. Auf den Landkreis bezogen ändert sich allerdings nicht viel. Crailsheim (Index 61,4 von möglichen 100) und Hall (60) stehen an der Spitze, Kreßberg (16,2) landet ganz hinten.
Allerdings: Das Auto bleibt das Hauptverkehrsmittel. Zwar steigt der Anteil von Distanzen, die zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden parallel zu den Indexwerten an, doch in den Dörfern führt am Pkw kein Weg vorbei. In kleinen Gemeinden mit einem Index unter 20 (im Landkreis Hall sind das Kreßberg und Stimpfach) werden täglich durchschnittlich nicht mal fünf Kilometer umweltfreundlich zurückgelegt, dafür aber weit über 20 Kilometer mit dem Auto.
Untersucht haben die Forscher im Übrigen auch, ob sich in den Vierteln mit kurzen Alltagswegen und exzellenter Versorgung vor allem eine „urbane Elite“ niederlässt und die weniger gut situierten Menschen in den entlegenen, schlecht erschlossenen Gemeinden leben. Eine messbare soziale Trennung aus diesem Grund konnten die Wissenschaftler allerdings nicht erkennen. Das läge daran, dass Gutverdienende oft in die schön gelegenen Außenbezirke zögen und sich den Unterhalt eines oder mehrerer Autos leisten könnten – ob der Supermarkt oder die Arztpraxis in unmittelbarer Nähe liegen, spiele für diese Menschen eine eher untergeordnete Rolle.