Energiegeladene Show

  • Queen-Gitarrist Brian May (78) steht bei der Premiere von „We Will Rock You“ in Stuttgart plötzlich auf der Bühne und begleitet Sängerin Aisata Blackman, die die Killer Queen verkörpert, bei „Bohemian Rhapsody“. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
  • Die Bohemians setzen der Herrschaft der Killer Queen gemeinsam durch Rockmusik ein Ende. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Musical Brian May sorgt in Stuttgart für Begeisterung bei Queen-Fans. Der Gitarrist tritt bei der Premiere von „We Will Rock You“ auf.

We Are The Champions“, „I Want To Break Free“ oder „Another One Bites The Dust“  – die Hymnen von Queen um Freddie Mercury sind längst Kult und nach 15 Jahren zurück in Stuttgart. Am Freitag feierte die neue Inszenierung des Musicals „We Will Rock You“ im Stage Palladium Theater eine umjubelte Premiere. Doch das Highlight des Abends folgte am Ende der energiegeladenen Rock-Show. Da betrat plötzlich Queen-Mitglied Brian May (78) höchstpersönlich die Bühne und ließ bei dem gefeierten Song „Bohemian Rhapsody“ seine ikonischen Gitarrenriffs erklingen.

Die Premierengäste waren aus dem Häuschen! Manch einer traute weder seinen Augen noch seinen Ohren und fragte die Sitznachbarn verdutzt: „Heilige Scheiße, ist das der Echte?“ Und dann zückte gefühlt jeder im Publikum das Handy, um diesen unerwarteten Glücksmoment aufzunehmen.

Standing Ovations, minutenlang!  Für einen strahlenden Brian May, der sich mit wallend-weißer Lockenmähne immer wieder dankbar verbeugte und den Fans Kusshändchen zuwarf, aber auch für eine gelungene Inszenierung mit starker Band und überzeugenden Darstellern und Darstellerinnen –  allen voran Aisata Blackman.

Die stimmgewaltige Holländerin, die in Stuttgart die Musicalfans schon in der Hauptrolle der „Queen of Rock“ Tina Turner begeistert hatte, riss das Publikum in „We Will Rock You“ als böse Killer Queen mit. Super sexy, mit unglaublicher Bühnenpräsenz und richtig dreckiger Lache. Man merkt, wie viel Spaß Blackman daran hat, diese durchgeknallte, aber auch charismatische Herrscherin zu spielen. Sie singt und tanzt mit voller Wucht, diabolisch.

Das Musical, das Brian May und sein Bandkollege, der Schlagzeuger Roger Tayler, einst bei dem Drehbuchautor Ben Elton in Auftrag gegeben hatten, erzählt – anders als der Kinofilm „Bohemian Rhapsody“ – nicht die Geschichte der Band Queen, sondern eine verrückte Story, die Elton um die Songs herumgestrickt hat: Es geht um eine futuristisch-düstere Welt auf dem IPlanet, der früher, also in analogen Zeiten, Erde hieß. Kreativität und Rockmusik sind auf dem IPlanet verboten. Die Jugend wird durch computergenerierten Einheitsbrei-Pop unterdrückt. Instrumente sind verbannt. Im Hintergrund zieht der tyrannische Konzern Globalsoft mit der Killer Queen an der Spitze die Fäden. Ihre rechte Hand ist Zuckermusk (Christian Schöne), herrlich schmierig und narzisstisch.

Der junge Held Galileo (Kasper Nilsson) ist ein Träumer. Er will sich nicht mit der glatt gebürsteten Realität abfinden und seelenlose Musik auf dem Computer programmieren, sondern selbst Songs komponieren und sie auf echten Instrumenten spielen. Gemeinsam mit anderen Menschen, echten Freunden! Also sagt er dem System den Kampf an – und gründet mit seiner Liebsten Sacaramouche (Isabel Waltsgott), eine Band: die Bohemians. Sie versammeln sich vor den Ruinen des Londoner Wembley Stadions, wo Queen 1985 vor rund 72.000 Menschen den bekanntesten Auftritt ihrer Karriere ablieferten.

Auf der Video-Leinwand hinter den Bohemians hält sich Killer Queen die Ohren zu und zersetzt sich schließlich in tausend Pixel. Der Rock `n’ Roll hat gesiegt. Doch vorher müssen erst Taylor Swift und Lady Gaga sterben. Bei einer Gehirnwäsche-Prozedur, in der ihnen ihre Seelen auf einer Art elektrischem Suhl ausgetrieben werden. Ein krasses Bild, das es so nicht gebraucht hätte.

Das Musical ist eine Mischung aus Rock-Show und epischer Story über Individualität, Rebellion, Liebe und Freundschaft. Die Geschichte ist arg konstruiert, aber ja auch nicht ernst gemeint. Und neu ist das Musical auch nicht, wurde es doch schon vor 23 Jahren in London uraufgeführt. Seitdem haben es nach Angaben von Stage Entertainment schon 16 Millionen Menschen in 19 Ländern gesehen. Auch in Stuttgart war das Musical bereits zu Gast – 2008 bis 2010. Trotzdem dürfte ein erneuter Besuch manchen Kenner überraschen: Der Stoff wurde komplett neu inszeniert, mit neuem Drehbuch, neuen Choreografien. Auch die popkulturellen Bezüge wurden aktualisiert. Allerdings sind sie oft platt.

Mit 24 Welthits

Zum Zurücklehnen taugt das Musical, das 24 Welthits umfasst, auf jeden Fall nicht. Die Show mutiert zum Rockkonzert. Bei Songs wie „Radio Ga Ga“ verwandelt sich der Saal in eine rockende Masse. Alle Lieder werden auf Englisch gesungen und von einer Live-Band gespielt. Sie sitzt nicht, wie gewohnt, im Orchestergraben, sondern auf einer Wand auf der Bühne und wird dort auf und abgefahren. Cool!

Ein knapp dreistündiger Energieschub mit Höhen, aber auch Tiefen in der Dramaturgie. Und so ganz geglückt sind die Anpassungen ans heutige Publikum nicht, insbesondere weil die Ästhetik einer computergenerierten Welt sicherlich 20 Jahre alt ist. Der Versuch, das Thema Female Empowerment anhand von Figuren wie der technikaffinen, selbstbewussten Scaramouche, der Killer Queen oder der starken Amazone Meat (Helena Lenn) sichtbar zu machen, ist hingegen gelungen. Und das ist echt stark.

Die Geschichte spielt in einer düsteren Welt.

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