Für ihn das größte Volksfest der Welt

  • „Wenn wir es jetzt richtig machen, dann werden die besten Zeiten nicht hinter uns liegen, sondern vor uns“: CDU-Landesvorsitzender Manuel Hagel bei der BDS-Mittelstandskundgebung am Donnerstagabend Foto: Peer Hahn

Mittelstandskundgebung 35 Minuten lang gehört Manuel Hagel am Donnerstag die Bühne in der Festhalle. An einer Stelle erntet der 37-Jährige, der der nächste Ministerpräsident werden könnte, tosenden Applaus.

Natürlich ist Manuel Hagel nicht entgangen, wie es umfragemäßig gerade um ihn und seine Partei steht. Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl liegt die CDU im Baden-Württemberg-Trend (eine repräsentative Umfrage von Infratest Dimap) mit 29 Prozent zwar deutlich vor der AfD (21) und den Grünen (20), aber ihr Vorsprung schmilzt. Was Hagel überhaupt nicht gefallen dürfte: Würde der Ministerpräsident direkt vom Volk gewählt, dann läge Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir mit 41 Prozent weit vor ihm, dem CDU-Kandidaten, der auf lediglich 17 Prozent kommt.

Im Falle seiner Wahl wäre Manuel Hagel mit 37 Jahren nicht nur der jüngste Ministerpräsident Baden-Württembergs aller Zeiten, sondern Deutschlands (bisher ist dies Kai-Uwe von Hassel vergönnt, der sein Amt in Schleswig-Holstein im Jahr 1954 mit 41 antrat). Von Noch-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dem ersten und bisher einzigen Grünen-Regierungschef eines deutschen Bundeslandes, ist überliefert, dass er diesem Prinzip folgt: „Von guten Umfragen lässt man sich beflügeln, schlechte ignoriert man. Wer nur mutlos und ängstlich auf Umfragen schaut, wird Gefangener dieser Umfragen.“

Manuel Hagel wirkt nicht wie ein Gefangener. Um seine Bekanntheit zu steigern, macht er viele Termine, geht unter die Leute, so auch in Hohenlohe. Seit Juli war er allein viermal im Landkreis Schwäbisch Hall. Jacobifest in Schrozberg, Gartentage in Langenburg, Volksfest in Crailsheim – und jetzt, am Donnerstagabend, auf der Muswiese in Rot am See. „Ich mag die Landschaft und den Menschenschlag hier“, sagte er im Interview mit unserer Zeitung.

Die Muswiese als Anker

Vor seiner 35-minütigen freien Festrede bei der Mittelstandskundgebung des Bundes der Selbständigen (BDS) in der Festhalle Hahn macht Hagel wie angekündigt einen kleinen Bummel durch die Stände, im Gewerbezelt trägt er sich ins Goldene Buch der Gemeinde ein. Es ist sein erster Besuch auf der Muswiese. Zu einer Fahrt mit dem Autoscooter wie neulich beim Volksfest in Mulfingen reicht es nicht.

Zur Musik der „Gräni Gang“ zieht der Landesvorsitzende schließlich in die Festhalle ein, im Gefolge die CDU-Landtagskandidaten Isabell Rathgeb und Tim Breitkreuz. Auf dem Weg zur Bühne schüttelt Hagel fleißig Hände. Doch zuerst gehört das Mikro Dr. Sebastian Kampe, dem Bürgermeister der Muswiesen-Gemeinde Rot am See. Tradition sei wichtig, betont er. „In einer Zeit, in der die Welt immer komplizierter wird, dient die Muswiese als Anker.“ Und Bettina Schmauder, Präsidentin des BDS-Landesverbandes Baden-Württemberg, fügt hinzu: „Hier auf der Muswiese sieht man, was Baden-Württemberg ausmacht. Hier wird geschafft und gefeiert.“

Ein Beispiel dafür, wie geschafft und gefeiert wird, ist die Bauernwirtschaft der Familie Pressler. Der stattete Hagel auch einen kurzen Besuch ab. „Sehen wir uns nachher im Zelt?“, fragte er den Küchenchef Klaus Pressler. Dessen Antwort lautete: „Ich komme ein bisschen später. Ich muss noch Schnitzel braten.“ So schildert Hagel die Begegnung in seiner Festrede. Dann bedankt er sich bei allen, die die Muswiese ermöglichen. Dabei lobt er besonders die ehrenamtliche Arbeit des BDS. „Dadurch halten Sie unser Land am Laufen.“

Als Hagel den Satz „Ich habe da mal was ausgerechnet“ sagt, wird es plötzlich ruhig im Zelt. Was kommt jetzt? Hagel vergleicht die Muswiese mit dem Oktoberfest in München und dem Cannstatter Wasen. In München kämen 6,7 Millionen Besucher auf 1,5 Millionen Einwohner, das mache 0,25 Besucher pro Einwohner. In Stuttgart seien es 4,6 Millionen Besucher bei 612.000 Einwohnern, also 0,38 Besucher pro Einwohner. „Aber Musdorf…“, fährt Hagel fort. Kurze Pause. 300.000 Besucher bei 48 Einwohnern. „Das macht 6250 Besucher pro Einwohner! Damit sind wir gemeinsam auf dem größten Volksfest der Welt zu Gast.“ Was dann folgt, ist tosender Applaus.

Er sei stolz auf die Menschen im ländlichen Raum, sagt Hagel. Und Hohenlohe sei so viel mehr. „Das, was man spürt, ist ein Lebensgefühl. Dieser Schatz, dieses Fundament ist nicht vom Himmel gefallen.“ Das Ganze habe auch mit ehrlicher Arbeit zu tun. Deshalb sei es wichtig, „dass wir nicht nur nach denen schauen, die schreien und schimpfen, sondern nach denen, die keine Zeit haben, weil sie nämlich am Arbeiten sind.“ Das Abschaffen des Bürgergeldes hält Hagel für richtig. „Aus einer Rezension kann man sich herausarbeiten, aber nicht herausbequemen.“ Der 37-Jährige findet, dass sich eine „Wohlstandsselbstverständlichkeit“ eingestellt habe. Man müsse jetzt über die Frage reden, wie man (neuen) Wohlstand schaffen könne. Seine Lösung: „Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik. Wenn die Leute Arbeit haben, dann ist was los.“

Überhaupt würde er „viel mehr auf deutsche Ingenieure und weniger auf grüne Ideologen hören. Das, was wir nicht im Boden haben“, von wegen Rohstoffe, „das ist in den Köpfen der Menschen.“ So würde er das Verbrennerverbot sofort kippen. Und das Bildungssystem reformieren. „Das Schulsystem bereitet auf eine Welt vor, die es so nicht gibt“, findet Hagel. Dabei dürfe man nicht nur über das Gymnasium sprechen. „Ein Hauptschüler ist in unserem Land genauso viel wert wie ein Abiturient.“ Berufsorientierung müsse früher beginnen. Auch übers Handwerk müsse man reden. „Her mit der kostenlosen Meisterausbildung“, fordert er.

Nationalhymne zum Schluss

Und dann ist da noch das leidige Thema Bürokratie. „Wir brauchen viel mehr gesunden Menschenverstand“, sagt Hagel. Er würde Normen mit einem Verfallsdatum versehen. Und wer diese dann beibehalten möchte, bräuchte dafür eine Mehrheit. Der CDU-Landesvorsitzende ist sich sicher: „Wenn wir es jetzt richtig machen, dann werden die besten Zeiten nicht hinter uns liegen, sondern vor uns. Wir leben in einem großartigen Land.“

Doch die Stimmung, die teilweise herrsche, sei Gift fürs Land. Hagel plädiert dafür, dass man wieder „Freude an der Meinung des anderen“ habe und Dinge, die einem nicht passen, nicht gleich automatisch ablehne. Wer an Silvester Feuerwerk zünde, so formuliert es Hagel, sei deshalb noch lange kein Umweltsünder und kein schlechterer Mensch.

Darius Kowalik, dem Vorsitzenden des BDS Rot am See, fällt noch die eher undankbare Aufgabe zu, nach dem Hauptact zu reden. „Wir machen alles ehrenamtlich, dass die Menschen das Fest genießen können“, so sagt es Kowalik. Als Dank überreicht er Hagel ein Geschenk. Produkte aus der Region, verpackt in einer, na klar, schwarzen Tasche, auf der ganz groß MUSWIESE steht.

Zum Schluss wird die Nationalhymne gesungen. Und für die, die den Text nicht auswendig kennen, liegen Zettel auf den Biertischen.

Wirtschafts- politik ist die beste Sozialpolitik

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