Werden Bier und Wein bald teurer?

  • Anstoßen mit Bier und Wein: Die EU ist laut WHO die Region mit dem höchsten Alkoholkonsum der Erde. Christoph Soeder/dpa

Alkohol Die Weltgesundheitsorganisation kritisiert lasche Regeln für alkoholische Getränke und verlangt höhere Steuern. Bei Krankenkassen und einigen Politikern in Deutschland rennt sie offene Türen ein.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wirft den Europäern vor, zu wenig gegen den durch Alkoholkonsum verursachten Krebs zu tun. Alkohol sei für sieben verschiedene Krebsarten verantwortlich. Allein für das Jahr 2020 verzeichnet die WHO in der EU 111.300 neue Krebsfälle, die durch Alkohol verursacht wurden. 93.000 erkrankte Menschen starben demnach an den Folgen.

Gundo Weiler, Direktor für Prävention und Gesundheitsförderung bei der WHO in Europa, drängt zu schnellem Handeln. Die EU-Länder zahlten einen „zu hohen Preis für Alkohol“. Einige sähen Alkohol als „kulturelles Erbe“, so Weiler. „Krankheit, Tod und Behinderung sollten aber nicht als Teil der europäischen Kultur normalisiert werden.“ Höhere Alkoholsteuern, Werbeverbote und eine Anhebung des Mindestalters könnten laut WHO den Alkoholkonsum reduzieren, was das Krebsrisiko deutlich senke.

Jürgen Hohnl, Chef des Verbandes der Innungskrankenkassen, fühlt sich von den Aussagen bestätigt. Denn die Innungskrankenkassen setzen sich seit Langem dafür ein, die Einnahmen des Staates durch Alkohol- und Tabak-Steuern zumindest anteilig direkt in die gesetzliche Krankenversicherung fließen zu lassen. „Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die erheblichen Kosten für die Behandlung der gesundheitlichen Folgen des Konsums zumindest teilweise abzufedern.“

„Suchtpolitisch sinnvoll“

Die WHO-Forderungen zur stärkeren Regulierung und Besteuerung von Alkohol unterstrichen „die Notwendigkeit, gesundheitsschädigendes Verhalten mit klaren Preissignalen zu belegen“. Allein der Alkoholkonsum habe ökonomische Folgekosten von rund 57 Milliarden Euro. Eine zweckgebundene Abgabe „würde die angespannte Finanzsituation der Krankenkassen mildern, wäre verursachergerecht und würde die Beitragszahlenden insgesamt entlasten“. Er gehe von 0,8 Prozentpunkten bei den Beiträgen aus.

Für den Gesundheitspolitiker Ates Gürpinar (Die Linke) wäre „eine deutliche Erhöhung der Alkoholsteuer aus suchtpolitischer Sicht sinnvoll, da sie den Konsum giftiger Substanzen senken kann. Das Ziel muss es jedoch sein, damit aktiv Süchte zu begrenzen und nicht, ein durch Privatisierung und Unterfinanzierung belastetes Gesundheitssystem querzufinanzieren“. Im Übrigen brauche man eine Suchtpolitik, „die Prävention, Aufklärung und soziale Unterstützung in den Mittelpunkt stellt und nicht nur eine fiskalische Lenkung“. Dass die WHO ausdrücklich auf den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebsfällen habe hinweisen müssen, „zeigt einmal mehr, wie sehr bislang insbesondere in Deutschland der Gesundheitsschutz den Profitinteressen der Alkohol- und Tabakindustrie untergeordnet wurde“.

Für den gesundheitspolitischen Sprecher der SPD, Christos Pantazis, gehören Alkohol- und Tabakkonsum zu den größten vermeidbaren Ursachen schwerer Erkrankungen. Steuererhöhungen könnten deshalb „ein wirksames Instrument sein – wenn sie klug ausgestaltet sind“. Eine direkte Zweckbindung der Einnahmen an die gesetzliche Krankenversicherung sei allerdings haushaltsrechtlich nicht zulässig. Es brauche „ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Prävention von Sucht- und Konsumfolgen – von Preisanreizen über Werbe- und Sponsoringbeschränkungen bis hin zu gezielter Aufklärung und Beratungsangeboten. Hier geht es um Bewusstsein, Bildung und Verantwortung – nicht um Symbolpolitik“.

Dagegen ist es für Martin Sichert, den gesundheitspolitischen Sprecher der AfD, „nicht die Aufgabe des Staates, Menschen von allen Lebensrisiken fernzuhalten“. Staatliche Verbote und Strafsteuern seien unangebracht. Man müsse „als Gesellschaft davon wegkommen, immer alles zu verteuern, was bestimmten Gruppen nicht ins Bild passt“. Er befürworte aber mehr Aufklärung über die Risiken des Alkoholkonsums.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der IKK classic aus dem Sommer sind 63 Prozent der Bürger in Deutschland ab 18 Jahren grundsätzlich für eine Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer. 42 Prozent der Deutschen sind zudem der Meinung, dass die Einnahmen aus diesen Steuern in voller Höhe direkt den gesetzlichen Krankenkassen zugutekommen sollten.

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