Wenn die Natur im Krieg hilft

  • Torf-Sumpfwälder im Nordosten Finlands. Das europäische Land ist eins von vielen, die vermehrt Moore im Grenzgebiet zu Russland wiedervernässen wollen – und so im Ernstfall einen natürlichen Wall schaffen. Foto: Olivier Morin/afp

Wiedervernässung von Mooren forderten bisher nur Umweltschützer. Jetzt rücken die Feuchtgebiete auch in den Blick von militärischen Strategen.

Als Russland im Frühjahr 2022 die Ukraine überfiel, war es auch die Natur, die half, die Invasoren kurz vor den Außengrenzen der ukrainischen Hauptstadt aufzuhalten. Am Nordrand Kiews sprengte das Militär einen Damm, flutete das Gebiet – und brachte die russischen Truppen im Schlamm zum Stehen.

Neu ist es nicht, dass Kriegsparteien Feuchtgebieten eine strategische wichtige Bedeutung beimessen, um den Feind auf­zuhalten. Carl von Clausewitz blickte in seinem Werk „Vom Kriege“ Anfang des 19. Jahr­hunderts bereits auf die Rolle dieses besonderen Geländes in früheren Konflikten zurück, als er die „Eigentümlichkeit von Morästen“ beschrieb, die kaum überwindbar seien, erklärt Christian Schwägerl in einem Beitrag für den Reser­vistenverband der Bundeswehr. Immer wieder setzten Armeen auf gezielte Überschwemmungen.

Die Kehrtwende

Während zuletzt vor allem Naturschützer auf Moore und Sümpfe blickten, spielt das Thema Renaturierung nun auch eine Rolle bei der Verteidigungsfähigkeit. Es wäre eine Kehrtwende. Denn viel öfter wurden Feuchtgebiete trockengelegt, um Bau- oder Ackerland zu erhalten, als das wiedervernässt wurde. Dass dabei Tonnen an CO2 freigesetzt wurden, diese Erkenntnis gibt es noch nicht so lange. Rund fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kommt aus trockengelegten Feuchtgebieten.

Und so könnte die Wiedervernässung gleich an zwei Fronten helfen: Beim Kampf gegen den Klimawandel und beim potenziellen Kampf gegen russische Invasoren. Der „Moor-Papst“ Hans Joosten erklärte dies jüngst bei einem Termin mit der Financial Times im Naturschutzgebiet Kieshofer Moor bei Greifswald. „Man kann nicht vorhersagen, ob es 10 Zentimeter tief ist oder einen Meter“, so der niederländische Biologe. Eine Armee mit schweren gepanzerten Fahrzeugen würde sofort steckenbleiben, so Joosten.

Allerdings birgt der Morast auch Gefahren für eigene Truppen. Ukrainische Panzer blieben selbst im Matsch stecken und Anfang des Jahres verunglückten vier US-Soldaten bei einer Übung im litauischen Marschland an der Grenze zu Belarus.

Und dennoch setzen europäische Staaten zunehmend auf Renaturierung zur Verteidigung, unter anderem bekundeten Polen, Estland und Finnland ihre entsprechenden Absichten.

Man kann nicht vorhersagen, ob es 10 Zentimeter tief ist oder einen Meer. Hans Joosten Der „Moor-Papst“

VORHERIGER ARTIKEL