Moore können nicht alles

  • Mehr Moore! So will es unter anderem der Bundesumweltminister. Überflutete Möllmer Seewiesen nahe Oranienburg. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Umwelt Bäume speichern Kohlenstoff und Wälder sind regelrechte CO2-Senken. Wer wollte das bezweifeln? Dabei sind manche Zweifel angebracht. Und brauchen wir durch Vernässung wirklich mehr Moore in Deutschland?

Immer weiter läuft die digitale Zählmaschine auf der Internetseite „Wald ist Klimaschützer“. Sie zählt die CO2-Tonnen, die der deutsche Wald seit 2020 aufgenommen hat. Es sind nun weit über 400 Millionen. „Die Forstwirtschaft ist der einzige Wirtschaftsbereich, in dem Kohlenstoff gebunden wird“, sagt Irene Seling, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes AGDW – Die Waldeigentümer. „Im Durchschnitt sind das fast acht Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar“, sagt Seling. Ihr Verband betreibt die Klimaschutz-Internetseite. Aber als im vergangenen Jahr der damalige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) die neue Waldinventur vorstellte, sprach er davon, der Wald wäre zu einer „Kohlendstoffquelle geworden“. Ist das wirklich so?

„Unsere Wälder sind sehr lange, teilweise über Jahrhunderte gewachsen. Dabei haben sie viel CO2 gespeichert“, sagt Thomas Riedel vom Institut für Waldökosysteme in Eberswalde. „Beginnend mit den Herbststürmen in 2017, der anschließenden Frühjahrstrockenheit und Wärme in 2018 konnte sich der Borkenkäfer sehr gut verbreiten.“ Bäume, vor allem Fichten, starben ab. In Summe wurde so mehr CO2 abgegeben als durch Photosynthese gebunden wurde, „sodass die Kohlenstoffbilanz in dieser Zeit negativ war.“ Ist der Wald also zum Klimakiller geworden?

Irene Seling schüttelt den Kopf. „Die immer wieder formulierte Behauptung, der Wald sei von der CO2-Senke zur CO2-Quelle geworden, gilt vorerst nur für die Kalamitätsperiode von 2017 bis 2022.“ Und: „Die alleinige Ausrichtung auf die weitere Erhöhung der Holzvorräte führt in eine Sackgasse.“

Bei den Holzvorräten geht es um alles Holz, das auf einer Fläche steht. Ist aber der Baumbestand zu hoch und zu dicht, bekommt nachwachsender Wald zu wenig Licht. Der Holzvorrat in Deutschland liegt um 85 Prozent höher als der europäische Durchschnitt.

„Für die Stabilisierung der Klimafunktion des Waldes brauchen wir mehr junge, heranwachsende Bestände, nicht einfach mehr Holz auf der Fläche“, sagt die Verbandsgeschäftsführerin Seling. „Junge Wälder sind die besten Klimaschützer. Denn pro Hektar ist die Bindung von Kohlendioxid durch den Holzzuwachs in jüngeren Beständen viel höher als in älteren.“

Mittlerweile ist ein Drittel des deutschen Waldes älter als 100 Jahre. „Wie man damit umgeht, muss man politisch aushandeln“, sagt der Wissenschaftler Thomas Riedel. „Will man die häufig sehr hoch bewerteten ökologischen Leistungen eines alten Waldes, der vielleicht mehr zur Biodiversität beiträgt? Oder will man momentan mehr das Klima schützen und braucht deswegen eigentlich jüngere Wälder?“ Laut Waldeigentümerverband ist in den letzten drei, vier Jahrzehnten ungefähr ein Drittel des Zuwachses verlorengegangen. Zu dichte und alte Wälder sind aber stets in Gefahr Trockenheit, Stürmen oder Schädlingen zum Opfer zu fallen.

Irene Seling sieht noch ein anderes Problem. Der Waldumbau setzt auf Laubbäume. „Laubbäume wachsen nun einmal langsamer und ihr Holz lässt sich bei weitem nicht so gut stofflich nutzen wie Nadelholz.“ Das bedeutet: Aus Fichten oder Kiefern werden zu 80 Prozent Produkte, die den Kohlenstoff dauerhaft speichern. Laubhölzer werden zu 80 Prozent verbrannt, „Die Mischung macht es“, sagt Thomas Riedel. „Man braucht Buchen, man braucht Eichen, man braucht bestimmte Nadelhölzer.“ Dem würde Irene Seling nicht widersprechen. Keiner will zu Holzplantagen zurück.

Und was ist mit der künftigen Klimaschutzfunktion? „Auf politischer Ebene muss das Klimaschutzgesetz angepasst werden, in dem unrealistisch hohe Ziele für den CO2-Speicher Wald fixiert sind“, sagt Seling. „Überhaupt wird der hiesige Wald als CO2-Senke überschätzt“, meint Riedel. Man sehe ja, dass der Wald sogar zum Emittenten werden könne.

Trockenheit und Schädlinge

Eine Alternative könnten Moore sein. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) hat ein Papier vorgelegt, in dem es um die „Weiterentwicklung des Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ geht. Zu den Mooren heißt es: „Entwässerte Moorböden sind die größte Quelle von Treibhausgasen im Landnutzungssektor. Sie verursachen mehr als sieben Prozent Treibhausgasemissionen in Deutschland“. Daher sei Wiedervernässung „ein besonders wichtiges Ziel des Aktionsprogramms.“

Moore gehören zu den Feuchtgebieten, die nur ein Prozent der Erde bedecken, aber 20 Prozent des Kohlenstoffs binden. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut hält Wiedervernässungen aus Klimaschutzgründen für sinnvoll, sagt aber, „eine nasse Fläche wird mit den bisherigen Methoden nicht mehr bewirtschaftbar sein. Förderungen für Landwirte, denen die Flächen gehören seien nötig. Auch beim Moor ginge es übrigens nicht nur um die Kohlenstoffbindung. „Der Landschaftwasserhaushalt kann profitieren. Auch als Auffangbecken bei Fluten eignen sich Moore. Negativ könnte sich vermehrte Insektenpopulationen auswirken.“In kleinerem Umfang könnten auch Waldflächen vernässt werden. Aber „nur wenn Landwirte und Waldbesitzende der Wiedervernässung etwas Positives abgewinnen, wird dies ein Erfolg werden“.

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