Autobranche verhalten optimistisch
Verkehr Der Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen widmet sich der aktuellen Lage im Fahrzeugbau. Bessere Rahmenbedingungen werden gefordert.
Die Krise in der Automobilbranche ist komplex, Lösungen sind machbar, die Branche steht besser da, als ihr derzeitiger Ruf es nahelegt. So kann der Tenor beim Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen umschrieben werden.
Wie die Hochschule mitteilt, komme die Autobranche mit marktgerechten Produkten und mutigen Innovationen für eine elektrische und digitale Zukunft wieder auf die Spur. Vorausgesetzt, die Politik schaffe europaweit die erforderlichen Rahmenbedingungen. Der Ausblick auf die Zukunft der Branche war entsprechend verhalten optimistisch.
Keine Neuigkeit: Die deutsche Automobilindustrie durchlebt eine ihrer schwierigsten Phasen. Keine Alternative: Lamentieren. Im Gegenteil. „Die Frage ist nicht mehr, ob gehandelt werden muss, sondern wie schnell und wie entschlossen“, sagte Professor Dr. Stefan Reindl, Chef des IfA an der HfWU und Gastgeber des Kongresses. Elektrifizierung, KI, Digitalisierung und neue Wertschöpfungs- und Vertriebsmodelle schritten unaufhaltsam voran. Die Unternehmen seien herausgefordert, „das Bestehende abzusichern und gleichzeitig mutig neue Strukturen und Lösungen zu schaffen, um den Standort Deutschland im globalen Wettbewerb zukunftsfähig zu machen.“
Gefordert sei mit Blick auf die notwendige Transformation der Branche aber auch die Politik. Konkret: eine verlässliche Energie- und Industriepolitik, eine echte Entbürokratisierung und gezielte Qualifizierungsoffensiven. Sich für bessere Rahmenbedingungen einzusetzen, insbesondere auf der europäischen Ebene, versprach Winfried Kretschmann via eingespielter Videobotschaft. „Wir müssen unabhängiger werden von Rohstoffen, Schlüsseltechnologien und Energie“, sagte der Ministerpräsident gegenüber den rund 600 Kongressteilnehmern in der Nürtinger Stadthalle. Anlässlich des 30-jährigen Gründungsjubiläums des Instituts lobte Kretschmann das IfA als bewährten Partner der Branche.
Kritische Bestandsaufnahme
Angesichts der andauernden Krise sei es längst überfällig, Realität und Handlungsfähigkeit in Einklang zu bringen, bekundete die Präsidentin des Verbands der Internationalen Fahrzeughersteller, Imelda Labbé. „Wieder und wieder kritische Bestandsaufnahmen vorzunehmen, führt nicht weiter“, sagte Labbé auch mit Blick auf den jüngsten Autogipfel im Kanzleramt. Dementsprechend konnte Skoda-Chef Klaus Zellmer dem Lamento, die Industrie habe die E-Mobilität verschlafen, wenig abgewinnen. In den Märkten China, USA, Europa, Indien und Japan – in denen weltweit 80 Prozent der Autos verkauft werden – sei allein in Europa ein Verbrenner-Aus definiert worden, das Thema also präsenter als anderswo.
Mit Appellen an die Industrie sei es nicht getan. „So lange wir, wie jetzt aktuell, keine zielführenden gesamteuropäischen Rahmenbedingungen haben, werden wir bis 2035 ein Verbrenner-Aus nicht schaffen“, ist der ehemalige IfA-Student und HfWU-Absolvent überzeugt.
Dr. Michael Steiner setzte die Reihe der hochkarätigen Referenten aus Handel, Vertrieb und aus dem Kreis der Hersteller fort, darunter Vorstände aus den Unternehmen Audi, Porsche und Mercedes-Benz. Steiner, Forschungs- und Entwicklungsvorstand bei Porsche, zeigte, welche grundlegenden Veränderungen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Fahrzeugentwicklung mit sich bringt. So lasse sich beispielsweise täglich mit neuen Komponenten digital Tausende von Simulationen und Tests durchführen und entsprechend schnell neue und tiefergehende Erkenntnisse gewinnen. Maßgeblich aber sind für den Porsche-Vorstand nicht die Potenziale der neuen Technologien. „Das Mindset ist entscheidend“, sagte Steiner, „wie offen wir sind für KI, wie spielerisch und damit innovativ mit ihr umgegangen wird, darauf kommt es an.“ Oft seien uns hier asiatische Unternehmenskulturen voraus.
Ein Schlechtreden der Branche oder gar ein Abgesang auf das Auto sei fehl am Platze und sogar kontraproduktiv für einen konstruktiven Umgang mit der Krisensituation, so die vorherrschende Überzeugung unter Referenten und Kongressbesuchern. Mit der Autobranche wieder in Fahrt zu kommen, sei im Grunde so schwierig nicht. Die Maßgabe laute: Produkte anbieten, die der Markt nachfragt und beherzt die nächsten technologischen Entwicklungsschritte mitgehen und mitgestalten. „Das Glas ist halb voll“, war nicht nur von einem der Experten auf dem Podium zu hören.
Die Frage ist nicht, ob gehandelt werden muss, sondern wie schnell und entschlossen. Stefan Reindl HfWU
Offen sein für die Künstliche Intelligenz.