Hilfe durch Chili bei Schmerzen

  • Im Patientenforum geht es um Kopf-, Nerven-, Gelenk- und Rückenschmerzen. Foto: Giacinto Carlucci

Medizin Die 28. Südwestdeutschen Schmerztage finden im gut besuchten Göppinger Kreissparkassenforum statt. Eine ursächliche Schmerztherapie kann unnötige Operationen vermeiden.

Das Göppinger Kreissparkassenforum ist bei den Vorträgen der promovierten Mediziner Philipp Müller-Schwefe zu Migräne und Michael Überall zu Nervenschmerzen voll mit Besuchern gewesen. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Gerhard Müller-Schwefe, Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), fand die Veranstaltung im Rahmen der 28. Südwestdeutschen Schmerztage statt.

Seriöse Quellen nutzen

„Schmerz ist ein Problem, das man gemeinsam bearbeiten muss. Wichtig dazu ist ein aufgeklärter Patient und ein empathischer Behandler“, sagte Privatdozent Überall, Präsident der Deutschen Schmerzliga (DSL). Für Informationen müsse man seriöse Quellen in den modernen Medien nutzen und nicht unsinnigen und durch nichts gestützten Daten glauben wie bei Ablehnung des Medikaments Paracetamol durch den amerikanischen Gesundheitsminister. Bei Nervenschmerzen jedoch würden die üblichen Schmerzmittel nicht wirken.

Überall forderte ein Recht auf eine „Zweitmeinung“ bei Schmerzpatienten mit kurzfristigem Terminangebot und die Bezahlung durch Krankenkassen, die bislang nur wenige übernehmen würden. Dazu sei eine Petition geplant, an der sich jeder beteiligen könne. Im letzten Jahr seien in Deutschland bei Rückenschmerzen nur zwei von hundert Operationen sinnvoll gewesen. Insgesamt hätten 1700 Patienten wegen Schmerzen operiert werden sollen, jedoch nur bei 3,8 Prozent wäre dies nötig und sinnvoll gewesen. „Wichtig ist bei Schmerzen eine ursächliche und ganzheitliche Behandlung“, sagte Überall. Die Frage müsse immer heißen, ob der Patient einen Vorteil von einer Therapie habe. Obwohl immer mehr Geld im System sei, gebe es in Deutschland immer mehr Schmerzpatienten. An Arzneimitteln verdiene am meisten der Staat durch 19 Prozent Mehrwertsteuersatz. Bei Abschaffung hätte man zehn bis zwölf Milliarden Euro mehr im Gesundheitssystem zur Verfügung. Überall forderte interdisziplinäre Teams bei der Schmerzbehandlung. Eine Zweitmeinung könne Schaden verhindern und mache die Behandlung sicherer. Philipp Müller-Schwefe, selbst von Migräne betroffen, berichtete, dass bei Migräne nur vier von zehn Patienten eine Prophylaxe erhielten.

Er erklärte, wer von Kopfschmerz betroffen ist, wie Migräne mit Symptomatik wie Aura, Vorboten und Nachwehen verläuft. Man müsse bei Migräne den ganzen Menschen behandeln, und der Patient müsse seine Migräne verstehen lernen. Nur dann gebe es eine erfolgreiche Therapie. Der Grund für Migräne sei eine Nervenentzündung im Gehirn, ausgelöst durch Botenstoffe.

Ein gesunder Lebensstil hilft

Die Therapiemöglichkeiten seien gestiegen, so Müller-Schwefe. Zur Akut-Therapie gehörten Entzündungshemmer, die Ausschüttung der Botenstoffe verhindernden Triptane, Ditane oder Gepanten. Bei zu häufiger Einnahme entstehe jedoch wieder Kopfschmerz. Ein gesunder Lebensstil helfe, und seit 2018 gebe es die gut verträgliche Antikörper-Therapie, wo prophylaktisch einmal pro Monat gespritzt oder eine Infusion für drei Monate gegeben werde.

Nervenschmerzen waren ein weiteres Thema von Überall, der die Entstehung und Funktion von Schmerz erklärte. Bei Nervenschmerzen entstehe der Schmerz jedoch nicht klassisch. Der Nerv leite nicht mehr und produziere selbst Schmerz. Er habe einen Schaden, was man sich wie einen Kurzschluss beim Stromkabel vorstellen müsse. Auslöser wie Gürtelrose, Diabetes, eine Operation, eine Amputation oder mechanischer Druck führten dann zu Fehlwahrnehmungen.

Überall stellte die Therapie mit Capsaicin-Pflaster, das aus Chili gewonnen wird, im Detail vor. Die Nervenzellen ziehen sich dabei zurück und erholen sich. Die topische Therapie wirke nur dort, wo das Problem sei. Dazu brauche man eine sorgfältige Diagnostik. Die Besucher nützten im Anschluss reichlich die Gelegenheit, Fragen zu stellen, nachdem dem Organisationsteam der Veranstaltung, Elfriede Andonovic und Judith Jalowietzki, gedankt worden war.

Wichtig ist bei Schmerzen eine ursächliche und ganzheitliche Behandlung. Michael Überall Präsident der Deutschen Schmerzliga

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