Haushalt ist ein „Ort der Wahrheit“

  • Finanzminister Dr. Danyal Bayaz (rechts) „vor.Ort“: Bei der Veranstaltungsreihe des Reutlinger Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen in Oberstetten kam der Landespolitiker mit Bürgern, hier mit den Gemeinderäten Markus Tress (links) und Matthias Hölz (Mitte), ins Gespräch. Maria Bloching

Oberstetten Baden-Württembergs Finanzminister Dr. Danyal Bayaz hatte beim Termin „vor.Ort“ viel zu erzählen und kam auch gut mit den rund 30 Besuchern ins Gespräch.

Schnell wurde am Mittwochabend im Oberstetter Dorfgemeinschaftshaus klar: Ein Finanzminister hat viel zu erzählen. Nicht nur über Geld, sondern über das Leben und die Arbeit eines Politikers, über die Gesellschaft und die schwierige, aktuelle Lage in Deutschland. Dr. Danyal Bayaz ist für einen Besucher „einer der profiliertesten Politiker in Deutschland“ und ein möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Bayaz sei „der brillante Kopf der baden-württembergischen Finanzen“. Der Politiker selbst ersparte sich größtenteils Floskeln, kam plaudernd auch mit kritischen Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch.

Auf dem „heißen Stuhl“

Eingeladen zu dem Termin hatte der Reutlinger Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen, der unter anderem mit der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke und der Landtagsabgeordneten Cindy Holmberg vor Ort vertreten war. Man wolle mit der Veranstaltungsreihe „vor.Ort“ das Regierungshandeln zu den Menschen tragen und Politik nachvollziehbar machen, wie Müller-Gemmeke betonte. Sie arbeitete mit Bayaz schon in der Bundestagsfraktion zusammen, auch damals kümmerte sich der 40-Jährige aus Heidelberg schon um Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales.

Als Finanzminister von Baden-Württemberg, so Bayaz, sei er zwischenzeitlich angekommen. „Ich war schon vorher geerdet, aber dieses Amt und die Verantwortung erden noch mehr“. In seinem großen Ministerium ist er für fast 25 000 Mitarbeitende im nachgelagerten Bereich zuständig, außerdem für einen knapp 65 Milliarden Euro- Haushalt. Davon fließe jeder dritte Euro in Bildung, Forschung und Innovation. „Baden-Württemberg ist ein Tüftlerland, wir müssen die Quote hochhalten“.

Mitten in der Corona-Krise kam Bayaz als Nachfolger von Edith Sitzmann auf den „Heißen Stuhl“. Sofort war klar: „Man muss schnell entscheiden, abwägen und manchmal auch Dinge wieder zur Seite legen“. Er habe „große Demut und Respekt davor, was in der Fläche geleistet wird“ und weiß inzwischen, dass am Finanzminister in guten und in schlechten Zeiten „gezerrt wird“.

KI mehr als ein Trend

Den Landeshaushalt bezeichnete Bayaz als „Ort der Wahrheit“, daran ändere auch Künstliche Intelligenz (KI) nichts. Dennoch: „KI ist mehr als ein Trend, sie hat Auswirkung auf die Gesellschaft, das Bildungssystem und die Industrie“. Deutschland hinke diesbezüglich allerdings noch im globalen Maßstab hinterher. Da aber das Geld nicht mehr so locker sitzt, sei es schwierig, neue Technologien zu entwickeln. „Sie kriegen von mir nicht die Geschichte „Da läuft alles super“ erzählt. Wir haben in der Verwaltung einen enormen Fachkräftemangel, der uns massiv zu schaffen macht“, erklärte Bayaz. Über kurz oder lang müssten hier Technologien eingesetzt werden, denn es gehe um die Funktionsfähigkeit der Demokratie.

Der Sanierungsstau im öffentlichen Bereich könne nur durch politische Prioritäten angegangen werden. „Ich bin ein Anhänger der Schuldenbremse. Aber für dringende Investitionen muss sie gelockert werden“, nahm Bayaz Bezug zur „mittleren Katastrophe“ der Haushaltssperre des Bundes. Es werde die Axt an die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland angelegt, nun müsse jede Partei ein Interesse daran haben, dieses Problem zu lösen. „Wir müssen für dieses Jahr nachträglich die Notlage erklären und einen Nachtragshaushalt erlassen“, sagte Bayaz. Einsparungen seien immer möglich, aber bei 60 Milliarden Euro den Rotstift anzusetzen, würde Deutschland in eine wirtschaftliche und soziale Krise führen.

Auch die Länder würden nun ganz genau drauf schauen, was sie dürfen und was nicht. Mittelfristig müsse eine Reform der Schuldenbremse her, um Projekte abzusichern und klare Prioritäten zu setzen. „Es geht ans Eingemachte, die Ampel ist gefragt“. Als „Quadratur des Kreises“ bezeichnete der Finanzminister die Tilgung der Corona-Kredite, die Baden-Württemberg im nächsten Jahr und der Bund im Jahr 2028 angeht. Man sei aber finanzpolitisch so aufgestellt, dass es zu schaffen sei. Er als Finanzminister sei die Sparkommission und sitze auf der Kasse. Von den Besuchern kritisch angesprochen wurden auch die stetigen Arbeitszeitverkürzungen, die Anhebungen der Renteneintrittsalters, die Größe von Landtag und Bundestag samt Wahlrechtsreform sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Fazit von Bayaz: „Uns Grünen bläst der Wind von vorne, wir hatten auch schon einfachere Zeiten“.

Es geht ans Eingemachte, die Ampel ist gefragt. Dr. Danyal Bayaz Finanzminister

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL