Politik bleibt eher außen vor

  • Die Politik durfte zugunsten der Geselligkeit an den CDU-Geburtstag außen vor bleiben. Foto: Christina Kirsch

Parteien Christdemokraten feiern auf dem Ehinger Marktplatz ihren Geburtstag mit einem „Tag der CDU“. Dabei kommen einige Themen zur Sprache.

Bürgerdialog ist eine schwierige Sache. Der Bürger beginnt den Bürgerdialog mit der CDU auf dem Marktplatz in den meisten Fällen mit dem Satz „Kann ich einen Luftballon haben?“. Der zweite Satz seitens der CDU in Person von Jutta Uhl, Nil Scheppach oder anderen lautet dann „Möchtest du einen blauen oder einen weißen Luftballon?“. Im besten Fall entwickelt sich ein Plausch über Kinder oder Marktgeschehen, das gute Wetter oder wie man das restliche Wochenende verbringt.

Zwischen Ohnmacht und Zorn

Unter dem Motto „80 Jahre. Nach vorne.“ wollte der CDU-Stadtverband gemeinsam mit den Bürgern zurückblicken, aber vor allem nach vorne schauen. Ganz bewusst wollte man nach vorne schauen, auch wenn manchem Bürger angesichts der persönlichen Situation und der Weltlage gar nicht so sehr zum Feiern zumute war. Fragte man bei den Erwachsenen nach, bekam die fröhliche Fassade schnell Haarrisse. Gaza, Ukraine, die Wirtschaftsmacht China, unser Gesundheitssystem und dieser unsägliche Trump. Die Triggerpunkte für Gespräche zwischen Ohnmacht und Zorn wären endlos gewesen, hätte man sie vertieft.

Dann also lieber Luftballons mit ökologisch vertretbaren Papierschnüren und eine Packung „Geburtstagskuchen“ zum 80er, der eine Kuchenzubereitung in der Mikrowelle versprach. Auch Kugelschreiber, Notizblöcke, Gummibärchen, Trinkbecher und Flaschenöffner gingen gut weg. Gespräche mit politischem Inhalt konnte Stadtverbandsvorsitzender Dominik Springer gegen 11 Uhr kaum vermelden. Die Bevölkerung schien keine Sorgen zu haben oder die Sorgen nicht zur Sprache bringen zu wollen.

Und doch entwickelte sich am Rande ein Gespräch mit einem Ingenieur, der damit liebäugelte, ein CDU-Mitglied werden zu wollen und die Sorgen der Chip-Industrie anklingen ließ. Es brauche Anreizsysteme, um die Industrie wieder auf Vordermann zu bringen, meinte der Besucher. Dabei griff er auf den Slogan „Leistung muss sich wieder lohnen“ zurück, mit dem Helmut Kohl 1982 gegen die damalige SPD-geführte Bundesregierung angetreten war. Wiederholt sich also alles in einer Variation? Ist die Gesellschaft (noch) leistungsfähig? Schon in der Frage steckte die Antwort.

Der Gast, der im Ausland eine Technologiefirma betreibt, plädierte für flache Hierarchien und wusste, dass den Deutschen das Image anhaftet, immer alles besser zu wissen. Dem politisch interessierten Bürger, der sich für eine Gastmitgliedschaft bei der CDU interessierte und der anonym bleiben wollte, war es wichtig, die Technologie im Land zu halten. Man sollte Technologien schützen und nicht nach China herausgeben, meinte er und wandte sich auch gegen staatliche Vorgaben wie das Verbrennerverbot.

Gegen ein Verbrennerverbot

Ihm sei wichtig, dass sich die beste Technologie durchsetze und nicht die kraft Gesetz verordnete. Dass China längst den E-Auto-Markt beherrscht, mache ihm Sorgen. Deutschland befinde sich im Limbo-Modus voller Unsicherheit und Zaudern. Aber Lösungen habe er auch nicht, meinte der Mid-Ager. Mit seiner CDU-Gesprächspartnerin war er sich einig, dass die deutsche Gesellschaft nach wie vor von einer goldenen Ära zehre. Doch wie lange noch? Niemand wolle sich von seinem Wohlstand, der aber nicht mehr finanzierbar sei, etwas wegnehmen lassen. Wie sich das Dilemma auflösen ließe, schien derzeit vollkommen unklar. Und jeder schaue auf den Koalitionspartner als Verhinderer.

„Brandmauer“ ist Merz‘ Thema

Auch das Thema „Brandmauer gegen die AFD“ klang an. Der Gast warf die Frage auf, wie demokratisch eine Brandmauer sei. Diese Frage ließ die Gesprächspartnerin lieber offen, während Bundeskanzler Friedrich Merz am selben Tag eine Zusammenarbeit mit der AFD erneut entschieden ablehnte. Es werde keine Zusammenarbeit mit einer Partei geben, die alles infrage stelle, was Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht habe – „jedenfalls nicht unter mir als dem Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands“, sagte Merz.

Die Geburtstagsfeier zum 80er war für die CDU eine Selbstvergewisserung, ein Schulterklopfen angesichts der Herausforderungen, eine Art Sammlung vor Zeiten, die so rosig nicht werden können. Politik blieb beim Geburtstag außen vor.

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